Karl Nolle, MdL
Agenturen ddp-lsc, 15:03 Uhr, 27.08.2008
Untersuchung ohne Zeugen - Verfassungsrichter entscheiden über Zukunft des Landtagsausschusses zur sächsischen Aktenaffäre
Dresden (ddp-lsc). 17 Mal hat sich der Dresdner Untersuchungsausschuss zur sächsischen Aktenaffäre bisher getroffen. Seit seiner Einsetzung durch den Landtag im Juli 2007 ist letztlich jedoch nur wenig herausgekommen. Bis jetzt haben die 20 Abgeordneten mangels Aktenfreigabe keinen einzigen Zeugen vernommen. Selbst das Dossier des Verfassungsschutzes zu angeblichen kriminellen Netzwerken mit Beteiligung hochrangiger Juristen ist noch nicht zum Beweismittel erhoben worden. Dabei hatte das Bekanntwerden des Aktenkonvoluts mit Vorwürfen von Amtsmissbrauch bis Kinderprostitution und Bandenkriminalität die als «Sachsen-Sumpf» bezeichnete Affäre im Mai 2007 erst ausgelöst. Am Freitag entscheidet nun der sächsische Verfassungsgerichtshof in Leipzig, ob sich der Ausschuss beim nächsten Treffen am 2. September endlich damit befassen kann oder überhaupt weiter tätig sein darf.
Am Freitagmittag (29. August) wird Gerichtspräsidentin Birgit Munz das Urteil im Rechtsstreit zwischen Ausschuss und Staatsregierung verkünden. Die Regierung verweigerte dem Gremium bisher die Herausgabe von Akten, weil sie dessen Verfassungsmäßigkeit bezweifelt. Dazu hatte Justizminister Geert Mackenroth (CDU) im September 2007 zwei Rechtsgutachten vorgelegt, wonach beim Untersuchungsauftrag etwa das Wertungsverbot nicht eingehalten worden sei.
Die Opposition im Ausschuss sah das anders. Eine Organklage war indes auch dem Regierungslager recht: Von den Leipziger Richtern, denen im Übrigen im Unterschied zum Bundesverfassungsgericht kein Recht auf ein Minderheitenvotum zusteht, versprechen sich alle Beteiligten rechtliche Klarheit.
Vor Gericht lässt sich der Ausschuss vom Düsseldorfer Rechtsprofessor Martin Morlok vertreten. Selbst diesem ausgewiesenen Experten sei kein vergleichbarer Fall in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte bekannt, in dem ein Untersuchungsausschuss «ein Jahr lang zur Untätigkeit verdammt wurde», sagt Ausschusschef Klaus Bartl (Linke). Er beklagt, dass neben der Verweigerungshaltung der Regierung auch die zusätzliche Ablehnung von Beweisanträgen durch die CDU-Vertreter den Ausschuss von Beginn an handlungsunfähig gemacht habe.
Die Arbeit glich Bartl zufolge bislang einem «fortwährenden Fingerhakeln» - das die CDU im Grunde schon jetzt gewonnen habe: Weil das Regierungslager «ein Jahr Zeit geschunden» habe, könne der komplette Untersuchungsauftrag auch dann nicht mehr erfüllt werden, wenn das Gremium am Freitag für rechtmäßig erklärt werde. Angesichts der 2009 anstehenden Landtagswahl reiche die verbleibende Zeit dazu einfach nicht mehr aus.
CDU-Ausschussobmann Christian Piwarz weist die Vorwürfe Bartls zurück: «Wer eine beispielslose Skandalisierung betreibt, muss sich nicht wundern, wenn ihm die Sache später auf die Füße fällt.» Bartl selbst habe maßgeblich mitgewirkt an der Formulierung des umstrittenen Untersuchungsauftrags. Im Übrigen sei der Ausschuss keineswegs untätig gewesen. «In vielen Fällen» habe er durch Herbeiziehung von Urkunden Beweis erhoben. Doch Zeugen könnten nun einmal nicht vernommen werden, wenn es keine Akten als Grundlage gebe.
Die mündliche Verhandlung am 11. Juli hatte die Kontrahenten eher ratlos zurückgelassen, in welche Richtung die Leipziger Richter tendieren. Für den Fall, dass sie Teile des Untersuchungsauftrags für verfassungswidrig erklären, würde sich das Gremium Bartl zufolge auf die verfassungsgemäßen Teile beschränken.
Zumindest die Justiz wird sich auch nach dem Leipziger Urteil mit der Affäre weiter befassen. Zwar hat die Staatsanwaltschaft Dresden die Verfahren gegen die im Verfassungsschutzdossier beschuldigten Juristen längst eingestellt. Allerdings ermittelt sie nach eigenen Angaben weiterhin gegen drei Journalisten, einen Kriminalhauptkommissar und zwei Mitarbeiter des Verfassungsschutzes - wegen übler Nachrede und Geheimnisverrats.
Von ddp-Korrespondent Tino Moritz
ddp/tmo/ple
271503 Aug 08