Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland ND, 30.08.2008

Der Sumpf darf aufgeklärt werden

Totalverweigerung von Sachsens Regierung ist verfassungswidrig
 
Der Ausschuss des sächsischen Landtags, der die Sumpf-Vowürfe vom Mai 2007 aufklären soll, darf von der Landesregierung nicht blockiert werden. Deren Weigerung, Akten herauszugeben, ist verfassungswidrig, urteilte gestern das Verfassungsgericht.

Bei der Verhandlung im Juli hatten Sachsens Verfassungsrichter die Streitparteien noch im Unklaren gelassen: Ihre Fragen ließen nicht erkennen, wie sie in der Auseinandersetzung um das Untersuchungsgremium des Landtags zum »Sachsen-Sumpf« und dessen Blockade durch die Regierung entscheiden würden. Dafür war das gestern verkündete Urteil um so deutlicher: Der Beschluss vom Juli 2007, der das Gremium einsetzte, steht im Einklang mit der Verfassung. Die Weigerung der Regierung, Akten zur Verfügung zu stellen, »verletzt den Ausschuss in seinen verfassungsmäßigen Rechten«.

Was Gerichtspräsidentin Birgit Munz in nüchterner Juristensprache formuliert, nennt Klaus Bartl eine »deftige Ohrfeige für die Staatsregierung«. Diese dürfe, ergänzt der Linksabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses, »so rüpelhaft mit dem Parlament nicht umgehen«. Bartl hatte mit Kollegen von FDP und Grünen das Programm für den Ausschuss formuliert – und von der CDU um die Ohren gehauen bekommen: Der Beschluss strotze vor voreiligen Wertungen, unklaren Begriffen und unzulässigen Eingriffen in die Justiz. CDU-Minister betrieben daraufhin das, was Martin Morlok, Anwalt des Gremiums, einen »singulären Fall von Totalverweigerung« nannte.

Das Gericht wischte fast alle der Einwände vom Tisch. Weder nahm es Anstoß an der Verwendung des als zu schwammig kritisierten Begriffes »korruptive Netzwerke«, noch sieht es abschließende Wertungen vorweggenommen. Auch den von Regierungsanwalt Klaus Finkelnburg geäußerten Vorwurf, der Ausschuss sei inhaltlich überfrachtet, teilten die Richter nicht. Nur Fragen zum Krisenmanagement der Regierung nach Bekanntwerden der »Sumpf«-Vorwürfe bezogen, griffen in den Kernbereich der Exekutive ein; sie müssen gestrichen werden.

Während Finkelnburg schmallippig auf das Urteil reagierte, hat Bartl mit den Einschränkungen kein Problem: Es handle sich um einen »Nebenschauplatz«. Zudem läuft dem Ausschuss die Zeit davon. Bis zum Beginn des Landtagswahlkampfes sind es noch neun Monate. Man habe »ein Jahr verloren«, sagt Bartl: »Das ist auch mit Arbeit in drei Schichten nicht aufzuholen.«

Manche Fragekomplexe haben sich aber ohnehin zwischenzeitlich erledigt. Der Verdacht, in Sachsen seien Juristen und Polizisten in kriminelle Netzwerke verstrickt, hat sich bei Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht erhärtet: 1500 Seiten dicke Dossiers des Verfassungsschutzes, die das behaupten, beruhten auf Gerüchten. Der Ausschuss müsse denn auch zunächst klären, warum »zehn Verfassungsschützer sich so verselbstständigen konnten« und warum die Aufsicht so kläglich versagt habe, sagte Bartl gestern. Die Arbeit soll bald beginnen: Am Dienstag steht die nächste Sitzung an.
Von Hendrik Lasch, Leipzig