Karl Nolle, MdL
Frankfurter Rundschau online, 02.09.2008
SPD - Kurskritik stößt auf taube Ohren
Wiesbaden (dpa) - Der Aufruf der Parteilinken zu einem wirtschaftspolitischen Kurswechsel ist auf parteiinterne Kritik gestoßen.
Thüringens SPD- Landesvorsitzender Christoph Matschie sagte in Wiesbaden, Rot-Grün habe unter Gerhard Schröder gute Politik gemacht: "Die Arbeitslosigkeit ist deutlich zurückgegangen. Ich finde, die SPD sollte zu diesen Erfolgen stehen." Der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Ralf Stegner sagte, die SPD habe ihren Kurs auf dem Hamburger Parteitag 2007 festgelegt. Er sehe keinen Anlass für eine Revision.
Beide äußerten sich am Rande einer Konferenz der SPD- Fraktionsvorsitzenden aus Bund und Ländern. Das am Dienstag verbreitete Papier beklagt die wachsende Spaltung zwischen Arm und Reich, fordert die Rücknahme der Rente mit 67 und verlangt eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer sowie eine Erhöhung der Erbschaftssteuer. Es übernimmt damit Positionen der Linken.
Zu den Unterzeichnern zählen der hessische Vize-Landesvorsitzende Gernot Grumbach und vier hessische Bundestagsabgeordnete, unter ihnen der Gießener Parlamentarier Rüdiger Veit, der sich als Mitorganisator bezeichnet. SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti nannte es normal, dass mit Blick auf die Bundestagswahl 2009 Positionen formuliert würden.
Nach Aussagen von Teilnehmern berichtete Ypsilanti auf der Konferenz über den Weg zur Bildung einer von der Linken tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung. Dies sei aber nicht vertiefend diskutiert worden. Man sei sich einig, dass solche Entscheidungen Sache der Landesverbände seien.
Die hessische SPD will das Vorhaben im Laufe des Monats auf fünf Regionalkonferenzen erörtern. Ein Parteitag am 4. Oktober soll dann über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit den Grünen entscheiden, eine Wahl Ypsilantis zur Ministerpräsidentin könnte am 18. November stattfinden.
Die SPD-Fraktionsvorsitzenden beraten bis Mittwoch über Gesundheits- und Bahnreform, Bildungspolitik sowie die Frage einer Schuldengrenze für die öffentliche Hand. Dazu wurden am Dienstag die Bundesminister Ulla Schmidt (Gesundheit) und Sigmar Gabriel (Umwelt) sowie die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen erwartet.