Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 19.09.2008

Affäre Schramm: Sachsens Finanzgruppe außer Kontrolle

 
DRESDEN - Die Berufung von Ex-Landrat Andreas Schramm (57, CDU) zum Berater der Sachsen Finanzgruppe (SFG) stößt in den Landtagsfraktionen auf heftigen Widerstand. Nun wird auch noch deutlich, dass das Konstrukt der SFG fatal dem System der 2007 gecrashten Landesbank Sachsen (SLB) gleicht!

Heute wird die Anteilseignerversammlung der SFG über den 5-Jahres-Beratervertrag des einstigen Mittweidaer Landrates Schramms informiert: Für 100000 Euro pro Jahr berät Schramm nun die SFG bei der „Weiterentwicklung der sächsischen Sparkassen“ (Morgenpost berichtete). Neben dem Freistaat (22,37 Prozent) sind an der SFG noch elf Landkreise und kreisfreie Städte - über ihre acht von 15 sächsischen Sparkassen - beteiligt.

Holger Zastrow (FDP): „Jetzt zeigt sich, wie sich die CDU ihre Verwaltungsreform zusammengekauft hat. Seit 18 Jahren macht sie sich den Freistaat zur Beute und verschachert gut dotierte Versorgungsposten an eigene Leute.“ Sebastian Scheel (Linke): „Ich stehe völlig fassungslos vor der Dreistigkeit, mit der die CDU mittlerweile öffentliche Gelder veruntreut. Im Interesse der politischen Kultur muss diesem Begünstigungs-Spektakel ein schnelles Ende bereitet werden.“ Pikant: Den Schramm-Vertrag konnte der SFG-Vorstand autark festlegen, ohne Rücksprache mit den Anteilseignern. Gleich in welcher Höhe. Dies darf er, da er die „operativen Geschäfte“ der Gruppe führt, ohne Genehmigung. Ähnlich lief es in der SLB.

"Keine Lehren gezogen"

Finanzministeriums-Sprecher Stephan Gößl bestätigt: „Es gibt keine monetär definierte Grenze, bei der der Vorstand die Anteilseigner um Entscheidung bitten muss. Der Vorstand leitet das operative Geschäft eigenverantwortlich, muss nur Entscheidungen von grundlegender Bedeutung vorab vorlegen.“ Was von grundlegender Bedeutung ist, sei nicht näher definiert und wird daher vom Vorstand selbst festgelegt. Antje Hermenau (Grüne) ist schockiert: „Offenbar wurden aus den Fehlern der SLB keine Lehren gezogen. Die Finanzgruppe ist ein Selbstbedienungsladen erster Klasse und der Freistaat schaut wie bei der SLB wieder nur zu.“

Dass ausgerechnet Schramm nun Berater der SFG ist, prangert FDP-Chef Zastrow an: „Als einstiger Vize-Chef des Verwaltungsrates der SLB ist er ganz klar einer der Mitverantwortlichen des Landesbank-Desasters.“ Karl Nolle (SPD): „Nach dem unfreiwilligen Abtritt des Finanzgenies Milbradt soll nun offenbar das SLB-Verwaltungsrats-Genie Schramm die SFG beerdigen.“

Rechtliche Bedenken hat Sebastian Scheel, Ob-Mann im SLB-Untersuchungsausschuss: „Solche Entscheidungen, wie dieser Vertrag, waren für den Vorstand der SFG nie angedacht, da es ja kein Aufsichtsgremium gibt. Das ist ein Missbrauch der Vollmachten des Vorstandes. Jetzt müsste ein Aufsichtsrat installiert werden.“ Antje Hermenau fordert, wie Nolle auch, die schnellstmögliche Auflösung der SFG: „Sie hat nach dem Wegfall der SLB keine Arbeitsgrundlage mehr. Die meisten Aufgaben, wie die Kooperation von Sparkassen in bestimmten Geschäftsfeldern, werden bereits durch den Ostdeutschen Sparkassenverband wahrgenommen.“ Ein entsprechender Antrag wird im Landtag debattiert.
Von Jens Jungmann