Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 01.10.2008

Datenschützer kritisiert Innenministerium

Andreas Schurig hat gestern als erster Zeuge im Untersuchungsausschuss „Sachsensumpf“ ausgesagt.
 
Das ist auch für die Abgeordneten neu: Die Mitglieder des Sachsensumpf-Untersuchungsausschusses müssen am Eingang des Sitzungsraumes 088 ihren Ausweis vorlegen. Dort ist gestern der nichtöffentliche Teil der Sitzung fortgesetzt worden. Die Glaswände des Zimmers, das direkt neben der Kantine liegt, sind notdürftig mit Vorhängen verdeckt worden. So soll verhindert werden, dass Neugierige draußen von den Lippen der Sitzungsteilnehmer ablesen können, was gesprochen wird.

Schließlich arbeiten die Abgeordneten mit Akten des Verfassungsschutzes, die als geheim eingestuft wurden. Der Sitzungssaal, in dem der öffentliche Teil des Untersuchungsausschusses stattfindet, gilt wegen der Tonanlage als nicht abhörsicher, weshalb die Abgeordneten in den nächsten Monaten noch öfter während der Sitzungen umziehen müssen – einschließlich Gesichtskontrolle.

Der erste Zeuge im Untersuchungsausschuss war gestern Andreas Schurig, Landesbeauftragter für den Datenschutz. Schurig hatte mit einem Kontrollbesuch im Landesamt für Verfassungsschutz die sogenannte Korruptionsaffäre an die Öffentlichkeit gebracht. Er bekräftigte gestern erneut seine Kritik an Verfassungsschutz und Innenministerium.

Das Landesamt habe das Urteil des Verfassungsgerichtshofes, mit dem die Beobachtung der Organisierten Kriminalität zur reinen Polizeiaufgabe erklärt wurde, ein Jahr lang missachtet und tief in die Persönlichkeitsrechte auch unbeteiligter Menschen eingegriffen, sagte Schurig.

Nach der Verkündung des Urteils 2005 habe der Verfassungsschutz nur für die Dauer einer Schrecksekunde innegehalten, um dann die Beobachtung angeblicher krimineller Netzwerke aus Justiz, Wirtschaft und Rotlichtmilieu unvermindert fortzusetzen. Die Chance, die Arbeit des Verfassungsschutzes der Rechtslage anzupassen, sei zweimal verpasst worden.

Kontrolle hat versagt

Das Innenministerium – damals unter Führung von Thomas de Maizière – habe einen erheblichen Anteil an dem Versagen der Behörde, kritisierte Schurig. Die Abgeordneten Johannes Lichdi (Grüne) und Sven Morlok (FDP) warfen de Maizière vor, als damals verantwortlicher Minister die Weiterbeobachtung der Organisierten Kriminalität persönlich angeordnet beziehungsweise gebilligt zu haben. Auch sein Nachfolger Albrecht Buttolo sei seiner Kontroll- und Aufsichtsfunktion nicht nachgekommen.

Der Untersuchungsausschuss hat erst vor einigen Wochen seine Arbeit aufgenommen. Innen- und Justizministerium hatten die Herausgabe der Akten verweigert. Erst nachdem der Ausschuss die Regierung erfolgreich verklagt hatte, konnte mit Schurig der erste Zeuge vernommen werden. In den nächsten Wochen sollen Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz gehört werden.

Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen gegen zwei Richter und einen Immobilienmakler wegen angeblicher Verquickungen mit dem Rotlichtmilieu längst eingestellt. Anhaltspunkte für Straftaten gab es nicht. Die Betroffenen fordern jetzt Schadenersatz.
Von Karin Schlottmann