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Frankfurter Rundschau FR-online.de, 04.10.2008

Bankenkrise: Hypo Real Estate vor Pleite

 
München/Frankfurt/Berlin. Das Rettungspaket für den angeschlagenen Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) ist gescheitert. Wie das Unternehmen am Samstagabend mitteilte, ist die Kreditzusage durch mehrere Finanzinstitute nicht mehr gültig. Die Gruppe prüfe die daraus drohenden Konsequenzen für die Einheiten des Konzerns. Es werde nach alternativen Maßnahmen gesucht.

Das Scheitern des Rettungspakets verschärft die Lage der Hypo Real Estate. Die Bank kämpfe um ihre Existenz, sagte HRE-Sprecher Hans Obermeier am Samstagabend. Die Bank sei augenscheinlich in einer schwierigen Situation. Er nehme an und hoffe, dass alle an den Diskussionen Beteiligten sich des Ernstes der Situation voll bewusst seien. Zu spezifischen Maßnahmen, die die HRE nun prüfe, werde er sich jetzt nicht äußern. Die Großaktionäre stünden bereit, die Bank finanziell zu unterstützen.

Die angeschlagene HRE braucht offenbar kurzfristig deutlich mehr Geld als bislang bekannt. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" aus Finanzkreisen hat die Deutsche Bank bei einer Prüfung festgestellt, dass der kurzfristige Kredit von 15 Milliarden Euro und die langfristige Refinanzierung von 35 Milliarden Euro bis in die zweite Jahreshälfte 2009 nicht ausreichen. Auf dieses Volumen hatte sich die Bundesregierung mit der deutschen Finanzbranche geeinigt.

Dem Vernehmen nach soll in einer Telefonkonferenz mit Bankenvertretern am Freitagabend die Höhe des anstehenden Liquiditätsbedarfs der Hypo Real Estate bis Ende der kommenden Woche auf 20 Milliarden Euro beziffert worden sein. Bis Jahresende würden bis zu 50 Milliarden Euro fehlen, bis Ende 2009 sogar 70 bis 100 Milliarden Euro.

Damit müsse das mühsam ausgehandelte Rettungspaket aufgeschnürt und neu verhandelt werden. Das bisherige Hilfsprogramm, für das der Bund und die Finanzwirtschaft haften, sollte der HRE für die kommenden Wochen bis zu 15 Milliarden Euro an zusätzlicher Liquidität verschaffen. Insgesamt beläuft sich das Hilfspaket auf 35 Milliarden Euro. Für 8,5 Milliarden dieser 35 Milliarden Euro bürgt die Finanzbranche, für die restlichen 26,6 Milliarden Euro der Bund. Die Verträge seien bislang aber noch nicht unterschrieben, hieß es.

Offenbar wolle nun die Bundesregierung neu verhandeln, wer die Last trage. Die Finanzbranche sehe inzwischen keinen weiteren Spielraum. "Es ist allerhöchste Zeit, dass die Bundesregierung den Ernst der Lage erkennt", sagte ein Banker der Zeitung.

Durch die neue Entwicklung sei die Situation um die Hypo Real Estate nun wieder offen. Sollte es kurzfristig keine Einigung geben, drohe die Insolvenz der Immobilienbank - es sei denn, die Bundesregierung und die Zentralbank fänden eine Möglichkeit, den Refinanzierungsspielraum der Bank zu erweitern.

Die Hypo Real Estate war durch Liquiditätsprobleme ihrer Staatsfinanzierungs-Tochter Depfa in Schwierigkeiten geraten. Die Depfa hat langfristige Investitionen mit kurzfristigen Mitteln vom Geldmarkt refinanziert, die nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers weitgehend versiegt sind. (dpa/rtr/ddp)