Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 11.10.2008
„Rot-Rot-Grün ist eine Chance“
Der Chef der Linksfraktion, André Hahn, will ein Ende der CDU-Regierungszeit.
Herr Hahn, Sie wollen 2009 als linker Spitzenkandidat antreten – inklusive des Anspruchs auf das Amt des Regierungschefs. Warum sollte es in Sachsen aber plötzlich einen solchen Linksruck geben?
Viele Wähler sind der regierenden CDU doch längst überdrüssig. Sie sehen in ihr allein die Staatspartei, die die Probleme der Bürger nicht mehr ernst nimmt. Die Sorgen der einfachen Leute gehen heutzutage unter, weil die CDU das Land nur noch verwaltet und nicht gestaltet.
Aber das Land steht bundesweit nicht schlecht da. Bei Finanzen oder Bildung liegt Sachsen sogar auf den Spitzenplätzen.
Die Stimmung ist nicht so, wie die CDU es gern hätte. Da hilft der Staatsregierung auch nicht, dass sie Umfragen bezahlt, die mit uralten Daten etwas anderes suggerieren. Schon der vermeintliche Spitzenplatz bei der Bildung ist mehr als fragwürdig, weil bei der Bewertung allein marktwirtschaftliche Kriterien eine Rolle spielten und nicht die Frage, ob das alles auch gut ist für unsere Kinder. Zum Thema Finanzen nenne ich nur das Stichwort Landesbank. Abgerechnet wird bei Wahlen, und da bin ich sehr zuversichtlich.
Seit 1990 standen dem Freistaat drei CDU-Ministerpräsidenten vor. Was würden Sie von denen übernehmen wollen, was nicht?
Übernehmen sollte man das selbstbewusste Auftreten eines sächsischen Regierungschefs auf der bundespolitischen Bühne. Das ist Kurt Biedenkopf gelungen, war unter Georg Milbradt schon schwächer, und vom amtierenden Stanislaw Tillich hört man kaum etwas. Man muss zudem die Spielräume wie in der Innenpolitik, der Bildung und Wissenschaft nutzen. Hartz IV können wir in Sachsen nicht abschaffen, das ist Bundesrecht, aber wir können hierzulande die Auswirkungen abmildern. Das werden wir tun, im Gegensatz zur CDU.
Die öffentliche Meinung zu Ihrer Partei ist gespalten. Kann ein Linker wie Sie ein Ministerpräsident für alle Sachsen sein?
Natürlich, letztlich entscheiden aber die Bürger. Wir wollen 2009 so stark werden, dass ohne uns keine Regierungsbildung möglich ist. Ich glaube, die Menschen können das CDU-Märchen nicht mehr hören, wonach die Linke als Gespenst nur Angst und Schrecken verbreitet und kein Land regieren kann.
Politische Wechsel sind nur mit neuen Bündnissen möglich. Wird Sachsens SPD über ihren Schatten springen und sich auf Rot-Rot-Grün einlassen?
Über Koalitionen wird erst nach der Wahl gesprochen. Seriöse Umfragen halten eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün in Sachsen für möglich. 2007 gab es auf mein entsprechendes Angebot noch ablehnende Aufregung, nun hat sich der Wind gedreht. Sowohl SPD als auch Grüne schließen eine solche Konstellation nicht mehr aus. Das ist eine große Chance für Sachsen.
Inwieweit hilft Ihnen dabei der neue Anti-Links-Kurs der CDU, mit dem man Linke und NPD auf eine Stufe stellen will?
Wenn ich den CDU-Fraktionschef Steffen Flath, der diesen Kurs propagiert, im Landtag treffe, reagiert er stets sehr freundlich. Offenbar hat er eingesehen, dass ihm seine Partei in den Kommunen und Landkreisen dabei nicht folgt. Er wird also seinen abenteuerlichen Kurs korrigieren müssen. Wir reden jedenfalls weiter mit der CDU, obwohl es wegen inhaltlicher Differenzen im Land kein politisches Bündnis geben wird. Über die missglückte Attacke freue ich mich aber schon deshalb nicht, weil sie die NPD zu einer normalen politischen Partei aufwertet, was sie nicht ist.
Wenn die Linke 2009 das Land erneuern will, setzt sie dann auch selbst auf neues Personal?
Viele Abgeordnete der Linksfraktion werden wieder auf der Landesliste stehen. Wir wollen aber auch neuen Leuten eine Chance geben. Allerdings werden die aus den Reihen unserer Partei kommen oder Sympathisanten sein, die unser Programm anerkennen. Ich werde zudem darauf hinwirken, dass die Zahl der Teamspieler in der neuen Fraktion möglichst groß ist, denn in puncto Geschlossenheit haben wir derzeit noch Reserven.
Das Gespräch führte Gunnar Saft