Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 24.10.2008

SPD und Grüne setzen Schwerpunkte bei Umwelt und Bildung

MINDERHEITSREGIERUNG IN HESSEN
 
Der Koalitionsvertrag für Hessen steht: SPD und Grüne haben sich fast neun Monate nach der Landtagswahl auf ein Programm für eine Minderheitsregierung geeinigt. Im Kabinett würde die Öko-Partei künftig zwei Ressorts besetzen. Ypsilanti-Rivale Walter geht leer aus.

Wiesbaden - Die von der Linkspartei geduldete rot-grüne Minderheitsregierung in Hessen nimmt immer konkretere Formen an. SPD und Grüne einigten sich am Freitag auf einen Koalitionsvertrag. Die SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti kündigte an, Bildung, Umwelt und Soziales zum Schwerpunkt einer rot-grünen Regierung zu machen. "Rot-Grün steht für ein Hessen als Musterland der erneuerbaren Energien", sagte Ypsilanti.

Beim Streitpunkt Ausbau des Frankfurter Flughafens solle es ein "ergänzendes Verfahren" geben, um ein Nachtflugverbot zu erreichen. Der Betreiber Fraport solle aufgefordert werden, mit den Bauarbeiten bis zu einer Entscheidung des Landes-Verwaltungsgerichtshofs zu warten, aber längstens bis Ende 2009.

Finanziell hinterlasse die CDU-Regierung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) eine "große Erblast", sagte Ypsilanti. Im Haushalt klaffe eine Lücke von 1,5 Milliarden Euro. Grünen-Chef Tarek Al-Wazir sagte, man habe noch nicht das ganze Ausmaß der Schuldenlast ans Tageslicht gebracht.

Dem neuen Kabinett unter einer Ministerpräsidentin Ypsilanti (SPD) sollen zehn Minister angehören. Zwei Ressorts erhalten die Grünen. Die Namen und Ressorts im Einzelnen:


Leiter der Staatskanzlei: Norbert Schmitt (SPD)
Inneres: Manfred Schaub (SPD)
Wirtschaft: Hermann Scheer (SPD)
Wissenschaft und Kunst: Lothar Quanz (SPD)
Verkehr und Europa: Günter Rudolph (SPD)
Soziales: Petra Fuhrmann (SPD)
Justiz: Nancy Faeser (SPD)
Finanzen: Reinhard Kahl (SPD)
Umwelt und Vizeregierungschef: Tarek Al-Wazir (Grüne)
Kultus: Priska Hinz (Grünen)

Für Ypsilantis Parteirivalen Jürgen Walter gab es kein Ressort. Der von SPD und Grünen vereinbarte Zuschnitt der Ressorts habe "nicht ganz seinen Geschmack" getroffen, sagte Ypsilanti. Walter habe sich deshalb aus freien Stücken entschieden, nicht in das Kabinett einzutreten.

Walter, der dem rechten Parteiflügel zugerechnet wird, war unter anderem als Kandidat für das Wirtschaftsressort gehandelt worden. Zuletzt war er als Minister für Verkehr- und Europafragen vorgesehen. Die Partei-Linke Ypsilanti hatte ihn vor der Landtagswahl Ende Januar an der Spitze von Partei und Fraktion abgelöst. Neuer SPD-Fraktionsvorsitzender im Wiesbadener Landtag soll nach Informationen des Hessischen Rundfunks Gernot Grumbach werden.

Die entscheidende Abstimmung im hessischen Landtag für die Regierungsbildung ist für den 4. November geplant. Ypsilanti ist dabei auf die Stimmen der Linken angewiesen.

Die Bundes-CDU bezeichnete die Verständigung auf eine SPD-geführte Minderheitsregierung in Hessen als "waghalsiges politisches Experiment" auf der "Basis eines Wortbruchs". CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte am Freitag in Berlin: "Die SPD in Hessen will tatsächlich eine Regierung auf der Basis eines Wählerbetrugs ins Amt bringen. Das ist die zentrale Botschaft der heute abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen."

Gerade in Zeiten der globalen Finanzmarktkrise brauche Hessen als Finanzplatz Nummer eins in Deutschland eine stabile Regierung. "Die SPD-Parteispitze lässt es zu, dass entgegen der eigenen Grundüberzeugung Partei-Interessen über die Interessen eines erfolgreichen Bundeslandes gestellt werden", sagte Pofalla.
phw/dpa