Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 24.10.2008
Justizminister gibt Einmischung zu
Das Justizministerium räumt ein, zugunsten eines Ministeriumsbeamten bei der Staatsanwaltschaft interveniert zu haben.
Die Grünen-Landtagsfraktion hat den Vorwurf bekräftigt, das Justizministerium übe politischen Einfluss auf Ermittlungsverfahren aus. Anlass ist ein Vorfall bei der Staatsanwaltschaft Bautzen im Jahr 2005. Sie hatte gegen einen Referatsleiter des Innenministeriums ermittelt, der die Aufklärungsarbeit der Polizei nach einer Trunkenheitsfahrt behindert hatte. Das Verfahren wurde eingestellt.
Justizminister Geert Mackenroth (CDU) hat jetzt in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Abgeordneten Johannes Lichdi erstmals zugegeben, dass seine Staatssekretärin Gabriele Hauser in dem Fall interveniert hat – und zwar zugunsten des Beschuldigten.
Innenstaatssekretär Jürgen Staupe hatte Hauser persönlich angerufen, um sich über die Justiz zu beschweren. „Frau Staatssekretärin sagte zu, sich der Sache anzunehmen und für eine objektive Bearbeitung Sorge zu tragen“, heißt es in der offiziellen Stellungnahme des Justizministeriums.
Und so kam es dann auch. „In diesem Sinn führte sie zwei Telefongespräche mit dem damaligen Dienstvorgesetzten des Staatsanwalts, Herrn Leitenden Oberstaatsanwalt Schindler“. Die Folge: Der Referatsleiter kam ohne Strafe davon.
Hintergrund des Verfahrens ist eine Auseinandersetzung, die der beschuldigte Referatsleiter Ende 2004 auf der Polizeistation in Radeberg angezettelt hatte. Er gab vor, Rechtsanwalt zu sein und versuchte, seinen betrunkenen Freund vor dem Entzug des Führerscheins zu bewahren.
Die Prozedur zur Feststellung des Promillegehalts sei ein Verstoß gegen die Menschenwürde, der vom Europäischen Gerichtshof gerügt würde, behauptete der Referatsleiter aus dem Innenministerium gegenüber den Polizisten. Der Arzt konnte erst Blut abnehmen, als die Beamten den Mann gewaltsam aus dem Zimmer geschoben hatten.
Polizisten sind empört
Die Polizisten erstatteten Anzeige bei der Staatsanwaltschaft in Bautzen. Sie waren empört darüber, dass ausgerechnet ein hoher Beamter aus dem Innenministerium einen betrunkenen Autofahrer schützen wollte, Polizisten beschimpfte und bei ihrer Arbeit behinderte. „Ich bin seit 21 Jahren Polizist, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte ein Polizeibeamter in seiner Vernehmung.
Justizminister Mackenroth gibt in seiner Stellungnahme an, über die Einmischung seiner Staatssekretärin in das Verfahren vorher nicht informiert worden zu sein. „Ob und inwieweit im Nachgang Gespräche stattfanden, kann nicht mehr festgestellt werden“. Will sagen: Der Minister kann oder will sich nicht erinnern, ob ihm Frau Hauser etwas über die Sache erzählt hat.
Lichdi, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, sagte, er habe den Eindruck, dass es seitens der Regierung erhebliche Interessen gegeben haben muss, die Ermittlungen gegen einen Referatsleiter des Innenministeriums zu beeinflussen. Lichdi: „Es wäre inakzeptabel, wenn das Justizministerium seinen Willen gegenüber der Staatsanwaltschaft durchgesetzt haben sollte.“ Für eine politische Einflussnahme sei bekanntlich nicht unbedingt eine förmliche Weisung nötig. Es gebe viele Möglichkeiten, dezent vorzugehen und sein Ziel dennoch zu erreichen.
von Karin Schlottmann
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Leserbriefe
Zu „Justizminister gibt Einmischung zu", 24.10., schreibt Thomas Mühlig per E-Mail:
Vertrauen der Bürger missachtet
Wie ist es mit der Rechtsprechung in Sachsen bestellt? Woher hat ein Minister das Recht, in Ermittlungen einzugreifen bzw. eingreifen zu lassen? Dass Polizisten keinen einfachen Job haben, weiß nahezu jeder. Wenn sie aber erfahren müssen, dass von oben ihre Arbeit behindert wird, so ist das ein Skandal. Wie sollen die Bürger noch Vertrauen in die Rechtsprechung haben, wenn die Staatsorgane Angehörige aus ihren Reihen aus der Verantwortung nehmen?
Thomas Mühlig, per E-Mail
Volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen
Und da sind die Beteiligten heute noch in Amt und Würden? Das ist einfach unglaublich. So etwas gehört in der Öffentlichkeit gnadenlos auseinandergenommen. Personen wie diese dürften beruflich im Staatsdienst nie mehr ein Bein aufdie Erde kriegen. Alle, die bei einer eventuellen Vertuschung aktiv oder passiv beteiligt sind oder waren, müssten mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft werden.
Stefan Sagner, per E-Mail