Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 02.11.2008

Tiefensee wegen Bahn-Bonus unter Druck

Minister wusste eher Bescheid / Weiter ICE-Ausfälle
 
Berlin/Leipzig (dpa/DW). Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) gerät im Streit um Bonus-zahlungen für den Bahn-Vorstand zunehmend unter Druck. Der Verkehrsausschuss des Bundestages will am Mittwoch die Vorgänge unter die Lupe nehmen und dabei den Minister befragen. Im ICE-Verkehr wird es mindestens bis Weihnachten noch Störungen geben. Grund sind technische Probleme mit den Achsen der Hochgeschwindigkeitszüge.

Bei den Vorwürfen gegen den Minister geht es um die Frage, ob er die vom Personalrat des Bahn-Aufsichtsrates am 24. Juni beschlossene und vom Bahn-Börsengang abhängige Sonderprämie noch früher hätte verhindern können. Tiefensee war nach Aussage des Ministeriums bereits Mitte September von seinem Staatssekretär Matthias von Randow informiert worden, hatte diesen aber erst vor zwei Tagen entlassen. FDP, Grüne und Linke forderten seinen Rücktritt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich hinter Tiefensee.

Als „politische Instinktlosigkeit erster Güte“ bezeichnete FDP-Vize Rainer Brüderle die Erhöhung der Bahn-Managergehälter mitten in der schweren Finanzkrise. „Der verantwortliche Minister Tiefensee kann nicht einen Staatssekretär nach dem anderen entlassen und alle Verantwortlichkeit von sich schieben. Herr Tiefensee muss sich dringend überlegen, ob er noch an der richtigen Stelle ist“, so Brüderle gegenüber der LVZ. Nach ICE-Stilllegungen, Fahrpreiserhöhungen und dem geplatzten Börsengang hätten die Menschen kein Verständnis für Bonuszahlungen an Bahnvorstände. „Bei Tiefensee scheint ja ,nomen est omen’ zu gelten. Statt Klarheit und transparenter Verantwortlichkeit herrscht im Verkehrsministerium dunkle Undurchsichtigkeit – wie in einem tiefen See.“ Kritische Stimmen kamen auch aus der Union. Tiefensee müsse erklären, warum er seinen Staatssekretär erst jetzt entlassen habe, obwohl der Minister angeblich seit September von der Bonus-Entscheidung gewusst habe, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Steffen Kampeter.

Die Bahn musste gestern einräumen, dass sich bei den laufenden Kontrollen an den Achsen der Neigetechnikzüge ICE T ein Stau ergeben hat. Dieser könne erst nach und nach abgebaut werden, sagte Bahnchef Hartmut Mehdorn. Derzeit könnten etwa 40 der insgesamt 67 ICE-T-Züge nicht eingesetzt werden. Betroffen sind vier Linien des Fernverkehrs und dabei besonders die Strecke Hamburg-Berlin-Nürnberg-München, die über Leipzig führt. In einer Nachuntersuchung bestätigte sich unterdessen, dass an einer zweiten Achse eines ICE T ein millimetertiefer Riss entdeckt wurde.