Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung online, 02.11.2008

Brutalstmögliches Restrisiko

Hessen-SPD in der Krise
 
Wäre Roland Koch der Böse in einem Science-Fiction-Film, er hätte sich einen wie Jürgen Walter zum Handlanger gemacht, um seine Gegnerin zur Strecke zu bringen: Andrea Ypsilanti.

Am Dienstag will sich Ypsilanti im hessischen Landtag zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Und an diesem Samstag hat ihr Parteivize nichts Besseres zu tun, als öffentlich zu verkünden, den Koalitionsvertrag nicht mittragen zu können. Also den Koalitionsvertrag zwischen Grünen und SPD, den er mit ausgehandelt hat. An der Abstimmung auf dem Sonderparteitag hat er dann nicht mehr teilgenommen.

Jürgen Walter ist derzeit das brutalstmögliche Risiko für Ypsilanti. Zwar soll Walter erklärt haben, sie dennoch unterstützen zu wollen. Glauben kann ihm das niemand. Wenn eine Koalition im Wesentlichen darauf gründet, dass sich zwei Parteien in der Sache einig sind, wie kann Walter dann die Person unterstützen, die als Ministerpräsidentin auch genau die Inhalte umsetzen will, die ihm nicht gefallen?

Und selbst, wenn er zustimmt. Was, wenn die strittigen Punkte im Landtag zur Entscheidung stehen? Wenn Walter zu seinem Nein steht, wird die Minderheitenregierung spätestens dann einpacken können.

Unberechenbarer Schlingerkurs

Walter hat nur zwei Möglichkeiten: Entweder er gibt sich am Dienstag mit einem Ja zu Ypsilanti der Lächerlichkeit preis. Oder er stürzt die Hessen-SPD in einen tiefen Abgrund.

Für Ypsilanti gibt es jetzt keinen Weg zurück. Aufschieben kann sie den Wahltag nach der dramatischen Genese dieses Versuchs einer Regierungsbildung in Hessen nicht mehr. Obwohl das ihre letzte Rettung sein könnte: Ruhe in den Laden und vor allem Jürgen Walter zur Vernunft bringen. Sie ist nach wie vor auf ihn angewiesen.

Walter bindet die Parteirechten, auch wenn die nicht amüsiert über seinen zunehmend unberechenbaren Schlingerkurs sein dürften. Erst macht er alles mit, dann will er nicht ins Kabinett, weil er nicht Wirtschaftminister werden darf, dann stellt er den Koalitionsvertrag in Frage.

CDU erwägt Boykott von Ypsilanti-Wahl

Es müssten die Grünen sein, die jetzt die Reißleine ziehen. Sie können kein Interesse daran haben, das Risiko einer Niederlage für Ypsilanti am Dienstag mitverantworten zu müssen. Die SPD war und ist der größte Unsicherheitsfaktor des Bündnisses.

Und wenn Ypsilanti jetzt nicht gewählt wird, dann sind Neuwahlen so gut wie sicher. Roland Koch dürfte wenig Schwierigkeiten haben, diese Wahl dann zu gewinnen. Das zu verhindern haben sich SPD, Grüne und Linke aber so groß auf ihre Fahnen geschrieben, dass sie sich ein Scheitern nicht leisten können.
Ein Kommentar von Thorsten Denkler