Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 08.11.2008

„Das wird sich nicht wiederholen“

Interview mit Justizminister Geert Mackenroth zu Staatssekretärin Gabriele Hauser
 
Die Staatsanwaltschaft Bautzen hat 2005 gegen einen leitenden Regierungsbeamten wegen versuchter Strafvereitelung ermittelt. Weil der Staatsanwalt eine Geldbuße verhängen wollte, beschwerte sich der Ministeriumsbeamte bei seinem Chef, Innenstaatssekretär Jürgen Staupe. Staupe informierte die Staatssekretärin im Justizministerium, Gabriele Hauser, die umgehend beim Leiter der Staatsanwaltschaft anrief. Das Verfahren wurde anschließend ohne Geldauflagen eingestellt. Inzwischen hat sich auch der Landtag damit befasst.

Herr Minister, ist es üblich, dass das Justizministerium sich direkt in Ermittlungsverfahren einschaltet?

Wir schalten uns grundsätzlich nicht in Ermittlungsverfahren ein. Allerdings ist beispielsweise in Verfahren von besonderem öffentlichen Interesse ein direkter Kontakt zwischen den Pressesprechern üblich. In diesen Fällen müssen wir häufig rasch reagieren.

In diesem konkreten Fall hat die Staatsanwaltschaft Bautzen gegen einen Referatsleiter des Innenministeriums ermittelt. Gleich zwei Ministerien haben sich eingeschaltet: das Innen- und das Justizministerium. Was war vorgefallen?

Es ist offensichtlich so gewesen, dass das Verfahren zu eskalieren drohte. Ein temperamentvoller Staatsanwalt und ein ebenso temperamentvoller Beschuldigter sind aufeinandergeprallt, und da hat es ein Feuerwerk gegeben wie zu Silvester. Es bestand die Gefahr, dass sich das weiter hochschaukelt und deshalb ist meine Staatssekretärin Frau Hauser dazwischengegangen. Naturgemäß lagen ihr nur Informationen von einer Seite vor. Der beschuldigte Ministeriumsbeamte hat von skandalösen Verhaltensweisen des Staatsanwaltes gesprochen. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Äußerungen hat sich Frau Hauser auch aus Fürsorgegründen veranlasst gesehen, den Vorgesetzten des Staatsanwalts in Bautzen möglichst schnell über diese Vorwürfe zu informieren.

Halten Sie diese Vorgehensweise für korrekt?

Ich kann keinen Fehler erkennen. Es kommt etwa drei bis vier Mal die Woche vor, dass sich jemand an meine Staatssekretärin oder mich wendet, sei es schriftlich oder telefonisch. Es handelt sich dabei um Betroffene, Abgeordnete, in deren Wahlkreisbüro sich Bürger beschwert haben, oder auch Journalisten.

Auch Beschuldigte?

Ja. Ich gebe deren Beschwerden an die Fachabteilung des Ministeriums weiter, die in den meisten Fällen darauf hinweist, dass wir in die Unabhängigkeit der Gerichte nicht eingreifen und dem Beschwerdeführer nicht helfen und dürfen. Beschwerden gegenüber einer Staatsanwaltschaft werden, wenn sie nicht außerordentlich eilbedürftig sind, auf dem Dienstweg weitergegeben.

Warum haben Sie in diesem Fall anders reagiert? Weil es ein Ministeriumsbeamter war, der Ärger mit der Justiz hatte?

Ich glaube nicht, dass Frau Hauser anders reagiert hat, weil es sich in diesem Fall um einen Ministeriumsbeamten gehandelt hat. Es hat bei ihr geklingelt, weil es derart massive Vorwürfe gegen den Staatsanwalt gegeben hat. Es ging um unsachliches Benehmen und sogar lautstarke Beleidigungen seitens des Staatsanwalts. So hat es jedenfalls der damalige Innenstaatssekretär Staupe geschildert. Wer unsachlich wird, arbeitet nicht professionell. Deshalb hat Frau Hauser den Leiter der Staatsanwaltschaft Bautzen direkt aufgefordert, sich darum zu kümmern. Das ist kein Eingriff in ein Ermittlungsverfahren.

Hat so ein Anruf nicht auch die Folge, dass Staatsanwälte unter Druck gesetzt werden?

Frau Hauser hat nicht bei irgend einem Staatsanwalt angerufen, sondern bei dem damaligen Behördenleiter. Sie hat auch nicht gesagt, wie er entscheiden soll, sondern hat ihn lediglich darauf hingewiesen, dass es heftige Beschwerden gibt.

Ihre Staatssekretärin hat den Behördenleiter zwei Mal angerufen. Warum?

Wir haben versucht, das zu rekonstruieren. Am wahrscheinlichsten ist, dass Innenstaatssekretär Herr Staupe wenige Tage nach seiner ersten Beschwerde nochmals nachgefragt hat, und deswegen auch Frau Hauser erneut in Bautzen anrief. Der Behördenleiter hat ihr dann versichert, er habe sich der Sache bereits angenommen. Um das weitere Verfahren und seinen Ausgang hat sie sich nicht mehr gekümmert.

Das war auch nicht nötig. Das Verfahren wurde ohne Auflagen eingestellt.

Dazu kann ich nichts sagen. Allenfalls, dass ein unabhängiges Gericht der Einstellung zugestimmt hat. Aber der Vorwurf gegen Frau Hauser, sie habe einen Ministeriumsbeamten schützen wollen, geht völlig daneben. Es ging ihr einzig und allein darum, für einen ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens zu sorgen, nie um dessen Ausgang.

Ist das Vorgehen des damaligen Innenstaatssekretärs Staupe korrekt?

Das müssen Sie ihn selbst fragen.

Und wie bewerten Sie die Verfahrensweise Ihrer Staatssekretärin?

Frau Hauser war zum damaligen Zeitpunkt erst einige Wochen im neuen Amt. Als langjährige Richterin hatte sie wohl noch nicht so verinnerlicht, dass der spontane Griff zum Telefonhörer kritisch ausgelegt werden und nach außen ein falscher Eindruck entstehen könnte. Ich gehe davon aus, dass sich ein solcher Vorfall so nicht wiederholen wird. Der Umgang mit Beschwerden ist häufig ein Balanceakt, der viel Sensibilität verlangt, sowohl gegenüber dem Beschwerdeführer als auch gegenüber der Behörde, gegen die sich die Beschwerde richtet. Aber eines ist klar: Wir sind auch in der Justiz keine kommunikationslosen Wesen. Selbstverständlich reden die Staatssekretärin und ich mit den Gerichtspräsidenten und Behördenchefs über öffentlichkeitsrelevante Vorgänge, wenn wir uns treffen. Das sind noch lange keine unzulässigen Eingriffe in Ermittlungsverfahren.

Das Gespräch führte Karin Schlottmann