Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 13:47 Uhr, 22.11.2008

Vorwürfe: Tillich spielte aktive Rolle in DDR-Blockpartei

 
Dresden (dpa/sn) - Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ist wegen seiner politischen Vergangenheit in der DDR-CDU in die Kritik geraten. Der sächsische SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle wirft Tillich vor, ideologische Weiterbildungen an einer DDR-Kaderschmiede zum Staatsfunktionär verschwiegen zu haben. «Solche Details von Tillichs Zeit als "Blockflöte" sind in der offiziellen Biographie des Regierungschefs und Landtagsabgeordneten ausgelassen worden», sagte Nolle am Samstag der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Regierungssprecher Peter Zimmermann wies die Vorwürfe zurück. «Es ist vollständig bekannt, was der Ministerpräsident vor der Wende gemacht hat», sagte er. Tillich sei ab Mai 1989 stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung gewesen und habe dafür auch vorgeschriebene Weiterbildungen besucht. Er könne sich aber 20 Jahre danach nicht an jede einzelne erinnern.

Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» und die Tageszeitung «Die Welt» hatten berichtet, dass Tillich von Januar bis März 1989 an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam einen Lehrgang besucht hat. Dieser sei Voraussetzung gewesen, um im Mai desselben Jahres Staatsfunktionär im Kreis Kamenz werden zu können. Sie beziehen sich dabei auf Archivunterlagen und auf das bisher noch unveröffentlichtes Buch «Sonate für Blockflöten und Schalmeien» von Karl Nolle. Der Abgeordnete hatte sein Buch vor eine Woche auf dem SPD-Landesparteitag als «Weihnachtsüberraschung» für die CDU als «Beitrag gegen das Vergessen» angekündigt.

«Wie kann man einen zweimonatigen Lehrgang für linientreue Kader komplett vergessen, der zudem für das eigene Vorankommen zwingende Voraussetzung war», sagte Nolle der dpa. Er forderte Tillich auf, seine Selbstdarstellung als «Widerstandskämpfer» zu beenden und «statt weiterer Attacken gegen Linkspartei und SPD» die Aufarbeitung der eigenen Parteivergangenheit voranzutreiben. «Die Blockparteien in der DDR tragen alle Mitschuld an der Entwicklung des Sozialismus, der ohne ihre staatstragende Rolle nicht funktioniert hätte», sagte Nolle. «Und ohne den machtpolitischen Rückgriff der CDU auf die rund 140 000 Kader der DDR-CDU nach der Wende hätte die Partei heute keine höhere Machtstellung als die SPD.»

Die Debatte über die Rolle der Ost-CDU in der DDR wurde angefacht, nachdem der CDU-Bundesvorstand in einem neuen Grundsatzpapier über die Perspektiven Ostdeutschlands die Linkspartei als SED-Erbin bezeichnet hatte und der SPD Unterstützung der totalitären Staatspartei vorgeworfen wurde. Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit fehlt in dem CDU-Papier. Nach CDU-interner und öffentlicher Kritik daran hatte Generalsekretär Ronald Pofalla Nachbesserungen zugesagt.

dpa dk yysn z2 mo
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