Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 15:03 Uhr, 23.11.2008

Tillich gerät wegen DDR-Vergangenheit in die Kritik - Staatskanzlei sieht keine neuen Vorwürfe

Biografie offenbar geändert
 
Dresden (ddp-lsc). Wegen seiner Vergangenheit als Mitglied der DDR-Blockpartei CDU sieht sich Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich heftiger Kritik ausgesetzt. Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» und die Zeitung «Die Welt» berichteten am Wochenende ausführlich über Tillichs Vergangenheit unter der SED-Herrschaft und seine Rolle als CDU-Politiker. Regierungssprecher Peter Zimmermann sagte am Wochenende, die Vorwürfe seien allesamt bekannt. Dass Tillich in gehobener Position im damaligen Rat des Kreises in Kamenz gearbeitet habe, stehe auch in seinem im Internet veröffentlichten Lebenslauf. Tillich selbst sprach bislang offiziell immer davon, sich mit seiner Mitgliedschaft in der Ost-CDU eine politische Nische geschaffen zu haben und so der SED aus dem Weg gegangen zu sein.

Nach einem Dokument des Kreisarchivs Kamenz, das dem «Spiegel» vorliegt, hat Tillich von Januar bis März 1989 ein Seminar an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam besucht. Bei der Akademie habe es sich um eine DDR-Kaderschmiede gehandelt, berichtete der «Spiegel». Regierungssprecher Zimmermann erklärte dazu, Tillich könne sich nicht mehr erinnern, ob er exakt dieses Seminar besucht habe.

Die «Welt» bezichtigt unter anderem die Staatskanzlei, mit der von ihm in Internet veröffentlichten Biografie Tillichs die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Dort steht, Tillich sei von 1987 bis 1989 «Angestellter in der Kreisverwaltung Kamenz» gewesen. Laut «Welt » war Tillich jedoch weitaus mehr, er sei am 25. Mai 1989 zum Stellvertretenden Vorsitzenden des Rates des Kreises bestimmt worden und habe damit der sogenannten B-Struktur der DDR angehört, die im Krisenfall an die Stelle der normalen Machtstrukturen hätte treten sollen.

Regierungssprecher Zimmermann sagte am Sonntag, der Ministerpräsident werde sich der Debatte um seine Vergangenheit selbstverständlich stellen. Aber es könne nicht sein, dass diese parteipolitisch instrumentalisiert werde.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle hält die bisherigen offiziellen Aussagen Tillichs zum Thema für beschönigend. Der von Tillich bekleidete Posten eines »Stellvertreter des Vorsitzenden für Handel und Versorgung« des Kreises Kamenz sei ein hoch politischer Posten gewesen und kein einfaches öffentliches Angestelltenverhältnis. »Versorgung war ein hoch sensibler Bereich in der DDR«, sagte Nolle. Um diesen Posten zu bekommen, sei der Lehrgang in Potsdam Voraussetzung gewesen. »Das war die ideologische Vorbereitung auf den Job«, betonte Nolle.

Unklarheiten gibt es zudem über die im Internet veröffentlichten offiziellen Lebensläufe Tillichs. Während Tillich auf der Seite des Landtags lediglich angibt, von »1987 bis 1989 Angestellter der Kreisverwaltung Kamenz« gewesen zu sein, weist die offizielle Homepage des Ministerpräsidenten seit wenigen Tagen auch den Posten als Stellvertretenden Vorsitzenden beim Rat des Kreises aus.

Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau sagte, eine Erinnerungslücke könne es bei einem 60-Tage-Lehrgang nicht geben. Auch sei die Erklärung Tillichs, er habe in der DDR seine politische Nische gesucht, unglaubwürdig. »Wer Stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises für Handel und Versorgung wurde, machte Karriere und suchte nicht die Nische", sagte sie.

Die CDU will sich auf ihrem Parteitag in Stuttgart vom 30. November bis 2. Dezember unter anderem mit der Rolle der CDU unter der SED-Herrschaft in der DDR befassen. Zuvor hatte es über das Thema bereits scharfe Diskussionen gegeben.

Von Matthias Hasberg

(Quelle: Zimmermann und Nolle auf ddp-Anfrage; Hermenau in Mitteilung)

ddp/lmh/fgr
231503 Nov 08