Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 24.11.2008

Späte Offenbarung

Gunnar Saft zum Streit über die DDR-Vergangenheit von Stanislaw Tillich
 
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich hat sechs Monate nach seinem Amtsantritt erstmals ein Glaubwürdigkeitsproblem – und der CDU-Politiker ist selbst nicht ganz unschuldig daran. Spätestens als Tillich im Mai 2008 als erster Ostdeutscher das Amt des sächsischen Regierungschefs übernahm, war klar, dass seine DDR-Biografie früher oder später gezielt auf den öffentlichen Prüfstand geschoben wird. Schließlich lässt sich in der deutsch-deutschen Innenpolitik auch 20 Jahre nach der Wende jedes Detail einer Ost-Biografie trefflich als Waffe missbrauchen.

Und bisher hat es Tillich seinen Gegnern damit leicht gemacht. Es reicht eben nicht aus, mutig zu erklären, zu DDR-Zeiten eher angepasst gewesen zu sein. Er hätte sofort bis ins Detail sagen sollen, wie weit diese Anpassung reichte – in seinem Fall bis zu einem Posten mit Karriereaussicht im DDR-Staatsapparat. Die Reaktionen auf eine frühzeitige Offenbarung wären jedenfalls berechenbar gewesen. Während man sich in solchen Fällen in westdeutschen Ländern gern über die vermeintliche Prinzipienlosigkeit und Charakterschwäche der Betroffenen erregt, finden sich die meisten Ostdeutschen in Tillichs Biografie und seinen Lebenskompromissen durchaus wieder.

Weil die Details jetzt aber nicht von ihm selbst, sondern von anderen offenbart werden, steht Sachsens Regierungschef wie ein ertappter Sünder da. Das war letztlich sein Fehler. Als Ministerpräsident wird Tillich die Vorwürfe überstehen. Dafür werden künftig aber nicht nur andere Parteien, sondern auch CDU-Kollegen Tillichs Vita nur allzu gern für gezielte Seitenhiebe nutzen.
Saft.Gunnar@dd-v.de