Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 24.11.2008

Ministerpräsident Tillich - Der Kader in der Ost-Nische

 
Wegen seiner Vergangenheit als Mitglied der DDR-Blockpartei CDU sieht sich Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich massiver Kritik ausgesetzt. Dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" liegt ein Dokument des Kreisarchivs Kamenz vor, demzufolge Tillich von Januar bis März 1989 ein Seminar an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam besucht hat. Bei der Akademie handelte es sich um eine DDR-Kaderschmiede.

Regierungssprecher Peter Zimmermann sagte, die Vorwürfe seien bekannt. Dass Tillich in gehobener Position im damaligen Rat des Kreises in Kamenz gearbeitet hatte, stehe in seinem im Internet veröffentlichten Lebenslauf. Tillich selbst sprach bislang immer davon, sich mit seiner Mitgliedschaft in der Ost-CDU eine politische Nische geschaffen zu haben und so der SED aus dem Weg gegangen zu sein.

Die Zeitung "Die Welt" bezichtigte unter anderem die Staatskanzlei, mit der von ihm in Internet veröffentlichten Biografie Tillichs die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Dort steht, Tillich sei von 1987 bis 1989 "Angestellter in der Kreisverwaltung Kamenz" gewesen. Laut "Welt" war Tillich jedoch weitaus mehr, er sei am 25. Mai 1989 zum Stellvertretenden Vorsitzenden des Rates des Kreises bestimmt worden und habe damit der sogenannten B-Struktur der DDR angehört, die im Krisenfall an die Stelle der normalen Machtstrukturen hätte treten sollen.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle hält die bisherigen offiziellen Aussagen zum Thema von Tillich für beschönigend. Der von Tillich bekleidete Posten eines "Stellvertreter des Vorsitzenden für Handel und Versorgung" des Kreises Kamenz sei ein hochpolitischer Posten gewesen und kein einfaches öffentliches Angestelltenverhältnis. "Versorgung war ein hoch sensibler Bereich in der DDR", sagte Nolle. Um diesen Posten zu bekommen, sei der Lehrgang in Potsdam Voraussetzung gewesen. "Das war die ideologische Vorbereitung auf den Job."

Der Fall Tillich könnte nun auch die Debatte um den Wortlaut des Ost-Papiers beeinflussen, das die CDU auf ihrem Bundesparteitag Anfang Dezember in Stuttgart beschließen will. Darin ist ein Bekenntnis zur Mitverantwortung der DDR-Blockpartei vorgesehen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) rief seine Partei auf, Jubiläen wie den 20. Jahrestag der friedlichen Revolution in der DDR zur Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit zu nutzen. Die Partei müsse darauf vorbereitet sein und dürfe nicht in der politischen Diskussion in Verlegenheit geraten, sagte Böhmer in Stendal auf einem CDU-Landesparteitag.