Karl Nolle, MdL
Neues Deutschland ND, 24.11.2008
Die Erinnerung kehrt zurück
DDR-Vergangenheit holt Stanislaw Tillich ein
Dresden (ND/dpa). Nach Vorwürfen über seine politische Vergangenheit in der DDR hat Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) seine offizielle Biografie im Internet ändern lassen. Die bisher nicht erwähnte Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung wird auf der Seite des Ministerpräsidenten nun aufgeführt. Zuvor war nur allgemein von einer Tätigkeit in der Kreisverwaltung die Rede gewesen. Der sächsische SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle wirft Tillich vor, ideologische Weiterbildungen zum Staatsfunktionär verschwiegen zu haben.
Regierungssprecher Peter Zimmermann wies Nolles Vorwürfe zurück. »Es ist vollständig bekannt, was der Ministerpräsident vor der Wende gemacht hat«, sagte er. Tillich sei ab Mai 1989 stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises gewesen und habe dafür auch vorgeschriebene Weiterbildungen besucht. Er könne sich aber 20 Jahre danach nicht an jede einzelne erinnern. Das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« und die Tageszeitung »Die Welt« hatten berichtet, dass Tillich von Januar bis März 1989 an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam einen Lehrgang besucht hat. Dieser sei Voraussetzung gewesen, um im Mai desselben Jahres Funktionär im Kreis Kamenz werden zu können.
Sie beziehen sich dabei auf Archivunterlagen und auf das bisher noch unveröffentlichte Buch »Sonate für Blockflöten und Schalmeien« von Karl Nolle. Der Abgeordnete hatte sein Buch vor einer Woche auf dem SPD-Landesparteitag als »Weihnachtsüberraschung« für die CDU und als »Beitrag gegen das Vergessen« angekündigt. »Wie kann man einen zweimonatigen Lehrgang für linientreue Kader komplett vergessen, der zudem für das eigene Vorankommen zwingende Voraussetzung war«, fragte Nolle.
Er forderte Tillich auf, seine Selbstdarstellung als »Widerstandskämpfer« zu beenden und »statt weiterer Attacken gegen Linkspartei und SPD« die Aufarbeitung der eigenen Parteivergangenheit voranzutreiben: »Ohne den machtpolitischen Rückgriff der CDU auf die rund 140 000 Kader der DDR-CDU nach der Wende hätte die Partei heute keine höhere Machtstellung als die SPD.«