Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 17:52 Uhr, 26.11.2008

DDR-Debatte: Tillich warnt vor Stigmatisierung - Kritik an CDU

 
Dresden (dpa/sn) - Die Debatte über die Bewertung von DDR- Biografien hält an. Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU), der vor wenigen Tagen seine Arbeit in der DDR kritisch bewertet hatte, warnte am Mittwoch vor Stigmatisierung. Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, forderte die CDU auf, bei der Auswahl ihres Spitzenpersonals mehr auf deren Vergangenheit zu achten. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hielt Tillich vor, kein einfaches CDU-Mitglied in der DDR gewesen zu sein. Die Linken im Landtag kritisierten Äußerungen Tillichs zur Aufarbeitung der Vergangenheit in ihrer Partei.

«Wenn man DDR-Bürger als Mitläufer bezeichnet, nur weil sie in der DDR gelebt haben, ist das nicht korrekt», sagte Tillich der «Leipziger Volkszeitung» (Mittwoch). DDR-Bürger dürften nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Die Aufarbeitung werde noch einige Generationen von Historikern beschäftigen. Tillich selbst war in den vergangenen Tagen wegen seiner Arbeit in der regionalen Verwaltung der DDR in die Kritik geraten. Er war seit Mai 1989 im Rat des Kreises Kamenz als stellvertretender Vorsitzender der Behörde für Handel und Versorgung zuständig.

Die Linken im sächsischen Landtag kritisierten vor allem eine Passage aus einem Interview mit der «Sächsischen Zeitung» (Mittwoch). Darin hatte Tillich gesagt, die CDU habe sich anders als die Linken intensiv mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt und einen konsequenten Selbstreinigungsprozess vollzogen. «Welche öffentlichen Debatten hat denn die sächsische CDU zu ihrer Vergangenheit als Blockpartei durchgeführt?», fragte Linken-Fraktionschef André Hahn und verwies auf entsprechende Aktivitäten seiner Partei. Tillich hätte gemäß den von seiner eigenen Partei nach der Wende aufgestellten Richtlinien für die Einstellung und Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst Probleme gehabt, «Pförtner in einem sächsischen Rathaus zu werden».

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) warf Tillich am Mittwoch im Sender MDR Info widersprüchliche Aussagen vor. Einerseits gestehe Tillich ein, dass die Ost-CDU Teil des DDR-Systems gewesen sei. Andererseits verwahre er sich dagegen, nachträglich zum Unterstützer des SED-Regimes gemacht zu werden. «Eine Mitgliedschaft in der CDU war kein Akt des Widerstandes gegen das SED-Regime, sondern die Blockpartei war Teil dieses Systems. Sie diente der Stützung des Staatsapparates», betonte Thierse. Tillich sei kein einfaches Mitglied der CDU gewesen, sondern habe in ihr Karriere gemacht.

Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, forderte die CDU auf, bei der Auswahl ihres Spitzenpersonals mehr auf deren Vergangenheit zu achten. «Es schadet dem Ansehen der Demokratie, wenn sie von Menschen repräsentiert wird, die früher einer Diktatur gedient haben. Wir brauchen keine ehemaligen DDR-Funktionäre in der Politik, sondern Menschen mit Demokratiebewusstsein und Zivilcourage», sagte Knabe in Berlin. Auch in anderen Parteien seien zahlreiche Politiker in das DDR-System verstrickt gewesen.

Tillich hatte am Montag seine Mitarbeit in der regionalen Verwaltung am Ende der DDR im Nachhinein kritisch beurteilt. «Meine Funktion im Rat des Kreises Kamenz ist kein besonderes Ruhmesblatt in meiner Biografie.» Heute würde er sich anders entscheiden. Er sage dies aber als jemand, der hinter und nicht vor den Ereignissen stehe. Die Entscheidung, 1989 an einer Kaderschulung teilzunehmen, sei wohl nicht wieder so zu treffen.

dpa su/st yysn z2
sam 261752 Nov 08