Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 12:22 Uhr, 29.11.2008

Lothar de Maizière hält Vorwürfe gegen Tillich für unangemessen

 
Dresden (dpa/sn) - Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) bekommt in der Debatte um seine DDR-Vergangenheit weiter Rückhalt aus den eigenen Reihen. «Ich finde es völlig unangemessen, Karrieren 20 Jahre nach dem Mauerfall danach zu beurteilen, ob jemand einmal im Rat des Kreises gesessen hat und dort die nicht vorhandenen Bananen verteilen durfte», sagte der letzte DDR-Ministerpräsident und CDU- Politiker Lothar de Maizière der in Dresden erscheinenden «Sächsischen Zeitung» (Montag).

Es müsse Schluss damit sein, dass «das Seelenleben der Ostdeutschen von Westdeutschen beurteilt wird», erklärte de Maizière unmittelbar vor dem CDU-Parteitag in Stuttgart. «Jedenfalls finde ich es anmaßend von denjenigen, die dieses Leben nicht gelebt haben, dieses Leben beurteilen zu wollen. Ich beziehe mein Selbstwertgefühl doch nicht aus der Beurteilung durch einen Westdeutschen.» De Maizière sprach von einer schäbigen Kampagne gegen Tillich. Sie werde vor allem von Leuten geführt, «die keine Ahnung von der DDR haben».

Tillich (49) geriet wegen seiner Arbeit in der regionalen Verwaltung der DDR in die Kritik. Er war als CDU-Mitglied seit Mai 1989 im Rat des Kreises Kamenz als stellvertretender Vorsitzender der Behörde für Handel und Versorgung zuständig. Ihm wurde auch vorgeworfen, diese Arbeit bislang nicht ausführlich offenbart zu haben. Tillich selbst beurteilte sein Amt im Nachhinein kritisch: «Meine Funktion im Rat des Kreises Kamenz ist kein besonderes Ruhmesblatt in meiner Biografie.»

De Maizière nahm Tillich in Schutz. «Es war grundsätzlich so, dass bei den kommunalen Behörden die Mitglieder der Blockparteien, selbst die schlimmsten Blockflöten, nur die Bereiche Wohnungswirtschaft oder Handel und Versorgung kriegten. Das waren die beiden Ressorts, bei denen man sich mit Sicherheit nur Feinde machen konnte.» Dies sei alles andere als der Ausgangspunkt einer großen Karriere gewesen.

Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» sieht in seiner neuen Ausgabe Tillich unter wachsendem Druck. Hintergrund sei eine Erklärung zum Lebenslauf, die Tillich 1999 bei Amtsantritt als sächsischer Minister ausfüllen musste. Darin sei auch die Frage nach dem Besuch von Parteischulen enthalten. Im Fragebogen werde mit fristloser Entlassung gedroht, wenn er falsch oder unvollständig ausgefüllt werde. Tillich habe die Frage nach der Parteischule «offenbar verneint». Dies stehe aber im Widerspruch zu einem selbst von der Staatskanzlei verbreiteten Ausbildungsplan Tillichs im Rat des Kreises Kamenz. Demnach sollte er von September bis Dezember 1988 eine CDU-Parteischule besuchen.

(Die Beiträge lagen dpa in redaktioneller Fassung vor.) dpa su yysn z2 ba

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