Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 11:55 Uhr, 30.11.2008

1999 musste Stanislaw Tillich Fragen nach Parteischulen, DDR-Karriere und Stasi-Kontakten beantworten

Fragebogen für Ost-Minister
 
Dresden (ddp-lsc). Das wusste bislang nicht jeder: Nach der Wende mussten in Sachsen nicht nur Lehrer, Beamte und Angestellte der Verwaltung Auskunft darüber geben, wie sehr sie in das politische System der DDR verstrickt waren. Auch Staatsminister hatten einen Fragebogen auszufüllen - zumindest wenn sie aus Ostdeutschland stammten.

Seit sechs Monaten wird Sachsen erstmals von einem Ostdeutschen regiert: Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) gehört der Staatsregierung seit 1999 an. Zuvor war er seit der Wende im Europäischen Parlament, zunächst als Beobachter, seit 1994 als Europaabgeordneter.

Als ihn vor neun Jahren der damalige Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) zum Landesminister für Bundes- und Europaangelegenheiten berief, musste sich also auch Tillich ganz formal zu seiner DDR-Vergangenheit erklären. «Nach Auskunft der zuständigen Verwaltungseinheit» habe er die Fragen der Erklärung vollständig und zutreffend beantwortet, zitiert der «Spiegel» eine Sprecherin der Staatskanzlei.

In dem Exemplar des Fragenkatalogs für Ost-Minister, der der Nachrichtenagentur ddp vorliegt, wird zunächst Auskunft über Stasi-Mitarbeit verlangt - nicht nur über offizielle, inoffizielle und hauptamtliche Arbeit für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Auch darauf, ob jemand «gelegentlich», etwa «über Kontakte», zu denen der Betreffende beispielsweise «als Mitarbeiter örtlicher Staatsorgane» verpflichtet gewesen sei, für das MfS gearbeitet habe, hatten die Landesminister zum Amtsantritt zu antworten - mit Ja oder Nein, und wenn Ja, dann auch «in welcher Weise, wo und von wann bis wann».

Anzugeben waren im Weiteren selbst Mitgliedschaften in FDJ (Freie Deutsche Jugend), GST (Gesellschaft für Sport und Technik), DSF (Deutsch-Sowjetische Freundschaft) oder FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) sowie Tätigkeiten «auf Leitungsebene» von Betrieben. Auskunft wurde auch erbeten über beruflich oder gesellschaftlich bedingte Auslandsaufenthalte zu DDR-Zeiten - sowie über die Ausbildung: Wer eine «andere als allgemeinbildende» oder «berufsausbildende» durchlaufen habe, sollte dies angeben. Als Beispiel für das, was gemeint war, wurden «Parteischulen» angegeben.

Der Erklärungsvordruck enthält zudem einen Absatz, wonach dem Unterzeichner bekannt sei, dass das Land Sachsen berechtigt sei, «das Arbeitsverhältnis unter Umständen fristlos zu kündigen, wenn die vorstehenden Angaben unvollständig oder unwahr sind».

Ob Tillich seine damaligen Antworten, wie bereits vom SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle gefordert, detailliert veröffentlichen lässt, blieb zunächst fraglich. Regierungssprecher Peter Zimmermann verwies indes bereits auf die Vertraulichkeit von Personalunterlagen.

So bleibt unklar, ob Tillich etwa die vor einer Woche eingeräumte Teilnahme am Lehrgang der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam-Babelsberg als Teil einer «Ausbildung» angesehen und vor neun Jahren in der Erklärung angegeben hat - immerhin hieß das von der Staatskanzlei vor einer Woche herausgegebene Papier zur Vorbereitung des «Reservekaders» Tillich für den Rat des Kreises Kamenz ab 1987 «Ausbildungsprogramm». Den darin ebenso aufgeführten Besuch der einstigen CDU-Parteischule 1988 zur «politischen und fachlichen Weiterbildung» hat es laut Staatskanzlei jedenfalls nicht gegeben. Tillich habe «keine Parteischule besucht», teilte Regierungssprecher Zimmermann am Wochenende mit.

ddp/tmo/kos
301155 Nov 08