Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 16:15 Uhr, 29.11.2008

Fragen um Tillichs Antworten

Ministerpräsident musste sich 1999 zu DDR-Vita erklären - Staatskanzlei: Biografie vollständig dargestellt
 
Dresden/Hamburg (ddp-lsc). In der Debatte um seine Verstrickung in das politische System der DDR wächst der Druck auf Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Laut «Spiegel» verweigert die Staatskanzlei die Freigabe eines Fragebogens zum eigenen Lebenslauf, den Tillich im Herbst 1999 bei seinem Amtsantritt als Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten habe ausfüllen müssen. In der Erklärung werde mit fristloser Entlassung gedroht, falls sie falsch oder unvollständig ausgefüllt werde. Regierungssprecher Peter Zimmermann sagte am Samstag, Tillich habe «seine Biografie vollständig dargestellt».

Tillich war in der Erklärung wie andere Minister ostdeutscher Herkunft detailliert nach gelegentlichen Stasi-Kontakten, der eigenen Stellung in der DDR und auch nach dem Besuch von Parteischulen gefragt worden. Das Magazin zitierte eine Sprecherin der Staatskanzlei, wonach Tillich «nach Auskunft der zuständigen Verwaltungseinheit» vollständig und zutreffend geantwortet habe.

Zimmermann sagte, Tillich habe «keine Parteischule» besucht. Konkret zu Tillichs Antworten in der vom «Spiegel» erwähnten Erklärung äußerte er sich nicht. Unter Verweis auf die Vertraulichkeit von Personalunterlagen sagte er, Tillich sei «von den zuständigen Stellen mehrfach überprüft» worden. Er habe «alle Fragen zu seiner Biografie beantwortet und wird das auch weiterhin tun».

Zu den mit Ja oder Nein zu beantwortenden Fragen in den Minister-Erklärungen zum Lebenslauf gehörte nach ddp-Informationen unter anderem, ob man eine andere als allgemeinbildende oder «berufsausbildende Ausbildung durchlaufen» habe, beispielsweise «Parteischulen». Zudem wurde danach gefragt, ob der Betreffende «gelegentlich» über Kontakte, zu denen er etwa «als Mitarbeiter örtlicher Staatsorgane» verpflichtet gewesen sei, für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet habe. Tillich hatte vor wenigen Tagen zwei dienstlich bedingte Stasi-Kontakte eingeräumt.

Vor einer Woche machte die Staatskanzlei einen Ausbildungsplan für Tillich von 1987 als «Reservekader» für seinen Posten im Rat des Kreises Kamenz öffentlich. Den darin zur «politischen und fachlichen Weiterbildung» vorgesehenen Besuch eines Lehrgangs an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam-Babelsberg Anfang 1989 räumte Tillich ein. Den für ihn ebenfalls geplanten Besuch der CDU-Parteischule in Burgscheidungen von September bis Dezember 1988 hat es hingegen laut Staatskanzlei nicht gegeben.

Der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU) sprach unterdessen von einer «schäbigen» Kampagne gegen Tillich. Diese werde «vor allem von Leuten geführt, die keine Ahnung von der DDR haben». Tillichs Posten als für Handel und Versorgung zuständiger Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Kreises Kamenz sei alles andere als der Ausgangspunkt einer großen Karriere gewesen. Es sei unangemessen, knapp 20 Jahre nach dem Mauerfall jemanden danach zu beurteilen, ob er «einmal im Rat des Kreises gesessen hat und dort die nicht vorhandenen Bananen verteilen durfte».

Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle forderte Tillich hingegen auf, zumindest seine Antworten auf die Fragen von 1999 öffentlich zu machen, damit andere sich ein Bild darüber machen könnten, ob «arglistige Täuschung» vorliege.

(Weitere Quellen: Zimmermann in Mitteilung und auf Anfrage; de Maizière in «Sächsischer Zeitung»/Montagausgabe; Nolle in Mitteilung)

Von Tino Moritz

ddp/tmo/pon
291615 Nov 08