Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 15:36 Uhr, 30.11.2008

Debatte um Rolle der CDU in der DDR - Tillich erhält Unterstützung

 
Dresden (dpa/sn) - Die Debatte um die Rolle der CDU in der DDR und das Agieren heute führender Christdemokraten hält unvermindert an. Am Wochenende bekam Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) Rückhalt aus den eigenen Reihen, aber auch kritische Stimmen. «Ich finde es völlig unangemessen, Karrieren 20 Jahre nach dem Mauerfall danach zu beurteilen, ob jemand einmal im Rat des Kreises gesessen hat und dort die nicht vorhandenen Bananen verteilen durfte», sagte der letzte DDR-Ministerpräsident und CDU-Politiker Lothar de Maizière der in Dresden erscheinenden «Sächsischen Zeitung» (Montag).

Es müsse Schluss damit sein, dass «das Seelenleben der Ostdeutschen von Westdeutschen beurteilt wird», erklärte de Maizière und sprach von einer «schäbigen» Kampagne gegen Tillich. Der 49- Jährige geriet wegen seiner Arbeit in der regionalen Verwaltung der DDR in die Kritik. Als CDU-Mitglied war er seit Ende Mai 1989 im Rat des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung zuständig und zugleich Vize-Chef der Behörde. Tillich wurde vorgeworfen, diese Funktion im offiziellen Lebenslauf bisher nicht erwähnt zu haben.

Der für den Aufbau Ost zuständige Bundesminister Wolfgang Tiefensee (SPD) forderte die CDU auf, sich mit ihrer Vergangenheit als Block-Partei in der DDR auseinanderzusetzen. «Das ist bei der CDU nicht in genügendem Maße geschehen», sagte Tiefensee der Zeitschrift «Super Illu». Tillich habe sein Parteibuch in der Ost-CDU offenbar als Sprungbrett für seine Karriere benutzt.

Im «Tagesspiegel am Sonntag» warnte Tillich davor, die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit politisch zu instrumentalisieren. «Für den Wahlkampf ist das Thema gänzlich ungeeignet, die Biografien von 16 Millionen DDR-Bürgern sind zu komplex, um damit zu politisieren und sie in einem Dreißig-Sekunden-Statement zu richten», sagte Tillich der in Berlin erscheinenden Zeitung. Da würden Leute Urteile abgeben, «ohne die tatsächliche Rollenverteilung und die Lebensverhältnisse in der DDR zu kennen».

«Natürlich war die DDR-CDU Teil des Systems, aber Stasi und SED waren von ganz anderem Kaliber», erklärte Tillich. Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Renate Künast, forderte die CDU auf, sich auf dem Stuttgarter Parteitag für ihre Blockpartei-Vergangenheit zu entschuldigen. «Das wäre eine überfällige Geste, die auch die CDU gegenüber den Opfern des DDR-Unrechtsregimes zu leisten hat», sagte Künast der «Leipziger Volkszeitung» (Montag).

Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» sieht Tillich unter wachsendem Druck. Offenbar sei in einem Fragebogen bei seinem Amtsantritt als sächsischer Minister 1999 der Besuch einer CDU- Parteischule verneint worden, was im Widerspruch zu einem von der Staatskanzlei selbst verbreiteten Ausbildungsplan der Kamenzer Behörde stehe. Regierungssprecher Peter Zimmermann wies das zurück. Tillich habe keine Parteischule besucht.

Die in Berlin erscheinende Tageszeitung «Die Welt» (Montag) schrieb, dass Tillich schon die letzte Volkskammer der DDR 1990 über seinen Werdegang «offenbar» getäuscht habe. Sein Eintrag im Handbuch des Parlaments sei «unvollständig und wahrheitswidrig». So werde verschwiegen, dass Tillich nach den Wahlen am 7. Mai 1989 als CDU- Kandidat in den Kreistag von Kamenz einzog und dann am 25. Mai Stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises wurde. Offiziell sei nur vom Ratsmitglied für Handel und Versorgung die Rede gewesen.

«Ich bin verwundert darüber, dass im Wochenrhythmus neue Punkte aus Tillichs Biografie die Runde machen», teilte die Fraktionschefin der Grünen im sächsischen Landtag, Antje Hermenau, am Sonntag mit. Sie halte es für angemessen, dass Tillich zu Beginn der nächsten Plenarwoche die Vorwürfe vor dem Landtag aus der Welt räume, «um diese Debatte ein für allemal zu beenden».

(Die Beiträge lagen dpa in redaktioneller Fassung vor.)

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