Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 02.05.2001

Ignoranz in Staatskanzlei und Ministerium

Biedenkopf verspricht Konsequenzen aus Affäre Schevenstraße – Betroffen, aber kämpferisch
 
Dresden. Eine schonungslose Aufklärung und sofortige Konsequenzen aus dem internen und externen Prüfbericht zum Gästehaus der Staatsregierung in der Dresdener Schevenstraße verspricht Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf für die Vorstellung des 100 Seiten starken Werks am Mittwoch. Der Bericht, den er zur Aufdeckung von „Hofhaltung“ und Sonderrechten seiner Frau und derer Verwandter Anfang April in Auftrag gegeben hatte, werde Ordnungs-und Regelungsdefizite aufdecken. Es gebe Bereiche, in denen der Staat oder er selbst Nachzahlungen leisten müsse. Im Zweifelsfall werde er zahlen, sagte Biedenkopf. Die Rechnung könne „plus minus null“ aufgehen.
Versäumnisse habe es nach einem Rechnungshofbericht 1994 gegeben. Staatskanzlei und Finanzministerium hätten den Änderungsbedarf ignoriert. Biedenkopf: „Da hätten wir reagieren müssen.“ Er habe 1997 beim Finanzministerium nachgefragt, aber erfahren, dass „alles in Ordnung ist“. Wenn die Prüfkommission ordentlich gearbeitet habe, seien keine neuen negativen Überraschungen zu erwarten.

Die bundesweite Publizität, die die so genannte Putzfrauen-Affäre auslöste, habe ihn und seine Familie betroffen gemacht, „vor allem, wie meine Frau darin einbezogen worden ist“, sagte Biedenkopf der „Freien Presse“. Seine Frau hätte jedoch „hunderte von aufmunternden Zuschriften“ erhalten. Diese Kampagne gehe im wesentlich Teil an der Beziehung vorbei, die zwischen der Bevölkerung und ihnen entstanden sei. Im Juli glaube er wieder den Zehnjahres-Durchschnittswert von 70 Prozent Zustimmung erreicht zu haben.

Als goldrichtig bezeichnete Biedenkopf den geschlossenen Auftritt seiner jungen Ministerriege. Sie sei in dieser Konstellation bundesweit ein Glücksfall. An der Debatte um seine Nachfolge werde er sich aber nicht beteiligen, weil sonst ein Kandidat frühzeitig beschädigt werde. Er selbst bleibe dem Land für die gesamte Legislaturperiode verbunden.

Biedenkopf teilte jedoch die Einschätzung, dass mit Abschluss des Kapitels Schevenstraße die Nachfolge-Diskussion erneut entbrennen und damit den Riss in der sächsischen Union nur schwer zu kitten sein werde.
(Von Hubert Kemper)