Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 09.12.2008
„Tillichs Fehler lag in der Vergangenheit“
Kommunikationsprofessor Wolfgang Donsbach sieht Sachsens Regierungschef durch die Debatte zu dessen DDR-Biografie eher gestärkt.
Seit zwei Wochen muss sich Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) der öffentlichen Diskussion zu seiner DDR-Biografie stellen. Kritiker halten ihm vor, lange nur ungenaue Angaben über sein Amt als Stellvertretender Vorsitzender für Handel und Versorgung beim Rat des Kreises Kamenz gemacht zu haben.
Rückendeckung für sein Auftreten in dem sehr heftig geführten Streit erhält Sachsens Regierungschef jetzt von Wolfgang Donsbach, Professor für Kommunikationswissenschaften an der TU Dresden. „Tillichs Fehler bei der Debatte lag eindeutig in der Vergangenheit“, erklärt der Medienexperte im SZ-Gespräch. Spätestens im Mai, als der CDU-Politiker das Amt des Ministerpräsidenten übernahm, hätte er mit den Details seiner Biografie an die Öffentlichkeit gehen müssen. „Versuche, über solche Probleme lapidar hinwegzugehen, scheitern immer wieder.“ Früher oder später würden solch strittige Punkte „ausgegraben“ und ein politisches Thema. „Tillich hätte die Karten eher auf den Tisch legen sollen, um sich einen Teil der heutigen Vorwürfe zu ersparen.“
Kein Vorwurf an Karl Nolle
Inzwischen habe Tillich allerdings die richtigen Schritte unternommen und mehr Offenheit an den Tag gelegt, so Donsbach. Besonders Tillichs persönliche Erklärung, mit der er zu seiner DDR-Zeit Stellung nimmt, habe Wirkung gezeigt. Anhand seines Falles werde nun eine breite Debatte über das Leben in der DDR und über unterschiedliche Lebensläufe in Ost und West geführt. Laut Donsbach könnte das Ost- und Westdeutsche sogar näher bringen, weil „jetzt vielen die Augen geöffnet werden, wie es damals im Osten wirklich war“.
Zu einem anderen möglichen Ergebnis des Streits legt sich der Professor ebenfalls fest: „Tillich hat mitgemacht, er war aber nicht verstrickt.“ Auf keinen Fall würde Tillich deshalb am Ende als Verlierer dastehen. Donsbach hält vor allem in Sachsen und im Osten sogar ein Sympathieplus zugunsten des CDU-Politikers für möglich. In dem SPD-Abgeordneten Karl Nolle, der die Debatte mit ins Rollen gebracht hatte, sieht der Professor dennoch keinen Nestbeschmutzer. Auch was Nolle gemacht habe, sei politisch legitim. Die Diskussion sei notwendig gewesen. „Da ist es egal, woher die Fakten kommen.“
Allein im Landtag wird das Streitthema vorerst nicht auf der Tagesordnung stehen, obwohl das nach den Grünen gestern auch die Linken forderten. Tillich habe sich zu allen Fragen – inklusive seines bislang unveröffentlichten Fragebogens, den er 1999 bei seinem Amtsantritt als sächsischer Minister ausfüllen musste – genügend erklärt, hieß es aus der Staatskanzlei.
Von Gunnar Saft