Karl Nolle, MdL

ZEIT ONLINE, 02.12.2008

CDU-Parteitag: Der Blick zurück fällt aus

Die CDU bekennt sich auf ihrem Parteitag zu ihrer Blockflötenvergangenheit. Doch eine Debatte vermeidet sie.
 
Ganz an das Ende ihres Parteitags hat die CDU ein Thema verbannt, das ihr doch in den letzten Wochen fast so viel Aufmerksamkeit gebracht hat wie die Debatte um Steuersenkungen: die Auseinandersetzung um ihre eigene Vergangenheit als Blockpartei in der DDR.

Nach nur einem einzigen Redebeitrag wird ohne weitere Aussprache schließlich ein ergänzender Passus in das Grundsatzpapier „Perspektiven für den Osten Deutschlands“ eingefügt. „Gleichwohl hat die CDU in der DDR im totalitären System der SED mitgewirkt“, heißt es dort nun.

Ursprünglich hatte die CDU eine solche Aussage gar nicht für nötig gehalten. Stattdessen enthielt das Papier in seinem historischen Teil eine Abrechnung mit der Linkspartei, die als Nachfolgepartei der SED gegeißelt wurde, und Angriffe auf die SPD, weil diese sich nicht genügend von der Linkspartei distanziert habe.

Insofern hat die Partei nun immerhin der Wahrheit genüge getan. Und doch wurde in Stuttgart offensichtlich, dass an einer weiteren Vertiefung dieses weniger glänzenden Teils der eigenen Vergangenheit kein Interesse besteht.

So ging Angela Merkel in ihrer Parteitagsrede mit keinem Wort auf die Diskussion über die Rolle der CDU im Osten ein. Ein anderer Antrag aus Halle, der sich kritischer und ausführlicher als der jetzt eingefügte Passus mit der Geschichte der Ost-CDU befasste, wurde von seinen Verfassern auf dem Parteitag nicht vertreten.

Der einzige Delegierte wiederum, der sich zu dem Thema zu Wort meldete, brachte eine ganz andere Stimmung zum Ausdruck. Auch er sei ein ehemaliges Mitglied der Ost-CDU, sagte Fritz Niedergesäß aus Berlin. Aber er denke nicht daran, sich deswegen etwa in Mithaftung für die Verbrechen der SED nehmen zu lassen. „Jetzt werden wir von denen, die das angerichtet haben, auch noch vorgeführt“, schimpfte er. „Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen.“

Niedergesäß' Wut ist verständlich. Denn er selbst hat – wie andere Mitglieder der Ost-CDU – die Erfahrung gemacht, dass die Parteimitgliedschaft seine berufliche Karriere nicht förderte, sondern behinderte. Der berufliche Aufstieg, der möglich gewesen wäre, wenn er „wenigstens parteilos“ gewesen wäre, blieb ihm verwehrt.

Niedergesäß erhielt am Ende viel Beifall. Mit seiner Lebensgeschichte können sich viele Mitglieder der Partei, gerade auch die aus dem Westen, eher identifizieren als etwa mit der des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich, für den die CDU durchaus eine Grundlage war, Karriere in der Staatsverwaltung zu machen.

Mit ihrem Parteitagsbeschluss hofft die Partei nun, zumindest vorerst einen Schlusspunkt unter das leidige Kapitel der Vergangenheitsbewältigung zu setzen. Die vergangenen Wochen hätten die Partei lehren können, dass nur ein selbstkritisches Verhältnis zur eigenen Geschichte verhindern kann, dass sie einem immer wieder auf die Füße fällt. Die Art und Weise, wie das Thema in Stuttgart behandelt wurde, deutet allerdings eher nicht darauf hin, dass diese Lektion schon wirklich verinnerlicht wurde.
Von Katharina Schuler