Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland ND, 13.12.2008

Auch die siebente Klage scheitert

Sächsischer Linksabgeordneter Külow darf trotz IM-Tätigkeit sein Mandat behalten
 
Der Leipziger Linkspolitiker Volker Külow bleibt trotz einer IM-Tätigkeit Abgeordneter im sächsischen Landtag. Das Verfassungsgericht wies eine Klage auf Mandatsentzug zurück.

Die Abgeordneten wussten nicht, worüber sie abstimmen – so lautet im Kern der Grund, warum Sachsens Verfassungsgericht die vor genau einem Jahr im Landtag beschlossene Abgeordnetenklage gegen den Linksabgeordneten Volker Külow zurückgewiesen hat. Der Leipziger sollte sein Mandat aberkannt bekommen, weil er ab 1988 als IM »Ostap« für das MfS gearbeitet hatte. Einem einzigartigen Paragrafen der Landesverfassung zufolge ist er damit unter Umständen als Abgeordneter »untragbar«.

Ob diese Umstände erfüllt sind, konnten die Abgeordneten laut Gericht aber nicht einschätzen. Sie befanden über eine Empfehlung des Bewertungsausschusses, der sich zuvor in geschlossenen Sitzungen mit dem Fall beschäftigt hatte. Wichtige Angaben blieben in der Vorlage ausgeklammert: »Es fehlten Darlegungen zur Art, Dauer und Intensität der dem Angeklagten vorgeworfenen Tätigkeit«, so das Gericht. Die »bloße Bezugnahme« auf Unterlagen der Bithlerbehörde reiche nicht aus. Klaus Bartl, Anwalt und Fraktionskollege Külows, sagte dem ND, damit hätten sich seit Jahren geäußerte Bedenken bestätigt: »Mit dem praktizierten Verfahren lässt sich keine rechtsförmige Anklage erheben.« Bartl sprach von »Dilettantismus«.

Mit dem Urteil wird ein durchaus pikanter Fall zu den Akten gelegt. Külow, seit 2004 im Landtag, hatte in den 90er Jahren eingeräumt, für die Auslandsaufklärung des MfS gearbeitet zu haben. Vor zwei Jahren waren aber Unterlagen aufgetaucht, denen zufolge der 48-jährige Historiker auch aus Seminaren und vertraulichen Gesprächen an der Universität Leipzig berichtet hatte. Im Landtag räumte Külow ein, in einigen Fällen die »vom menschlichen Anstand gebotenen Grenzen ganz klar überschritten« zu haben. Kritiker warfen ihm vor, stets nur offenbart zu haben, »was ohnehin nicht mehr zu leugnen war«, so der Grüne Karl-Heinz Gerstenberg.

Fest steht nun, dass Külow, der kürzlich als Direktkandidat für die Wahl 2009 aufgestellt wurde, sein Mandat behält. Damit ist der Landtag bereits zum siebenten Mal mit einer Abgeordnetenklage gescheitert. Klagen gegen Ex-CDU-Fraktionschef Herbert Goliasch und später den PDS-Mann Ralf Eißler erledigten sich, weil beide zwischenzeitlich aus dem Landtag ausgeschieden waren. Vier weiter Klagen gegen PDS-Abgeordnete, darunter Ex-Fraktionschef Peter Porsch, fielen durch, weil zwischen Bekanntwerden angeblicher Vorwürfe und Klageerhebung zu viel Zeit verstrich. Im Fall Külows hatte man sich um größte Eile bemüht – und scheiterte erneut.

Während Külow erklärt, sein Vertrauen in den Rechtsstaat sei »gestärkt« worden, betonte die parlamentarische Geschäftsführerin der LINKEN, Caren Lay, man sehe alle bereits früher geäußerten Bedenken gegen das Verfahren bestätigt. CDU-Fraktionschef Steffen Flath erklärte schmallippig, man müsse das Urteil akzeptieren.
Von Hendrik Lasch, Dresden



Anmerkung von Karl Nolle:

Die Verteidigung unseres Rechtstaats und der freiheitlich demokratischen Grundordnung kann selber nur nach den strengen Regeln von Verfassung und Recht erfolgen.

Ich habe michdaher, als als einer von drei Landtagsabgeordneten, aus grundsätzlichen Gründen am 13. Dezember 2007 bei der Abstimmung über die Abgeordnetenklage zu Volker Külow enthalten und dazu eine persönliche Erklärung abgegeben, da ich den Sachverhalt nicht selber, an Hand von schriftlichen Dokumenten und Belegen, prüfen konnte. Die Vorwürfe waren somit für alle Abgeordneten, bis auf wenige Ausnahmen, Vorhaltungen vom Hörensagen.

Genau das ist der Grund, warum der Sächsische Verfassungsgerichtshof die Klage mit der Begründung abgewiesen hat: „Die zur Beurteilung der MfS-Tätigkeit des Angeklagten relevanten Sachverhaltselemente wurden im Plenum nicht oder nur unzureichend bekannt gegeben."

Das Ergebnis ist eine juristische und politische Blamage, da die Betreiber dieser nun gescheiterten Klage bei ihren hohen moralischen Beweggründen dieser keine rechtlich saubere Form geben konnten. Sie haben damit ihrer Sache zum widerholten Male einen Bärendienst erwiesen.