Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 19.12.2008

Anrufe nach der Blutprobe

Gabriele Hauser, Sachsens Justiz-Staatssekretärin, soll in ein Verfahren gegen Autofahrer eingegriffen haben
 
Dresden - Zwei Telefonanrufe der Staatssekretärin im sächsischen Justizministerium, Gabriele Hauser (CDU), sorgen für Unruhe unter Richtern und Staatsanwälten im Freistaat. Auch der Dresdner Landtag dürfte sich demnächst mit den Vorwürfen gegen die Amtschefin im Justizressort beschäftigen, bei denen es um den Verdacht eines unstatthaften Eingriffs in ein laufendes Verfahren geht. Die linksliberale "Neue Richtervereinigung" verlangt bereits den Rücktritt der politischen Beamtin, der konservative "Sächsische Richterverein" wirbt für "Neue Wege statt alter Hüte" im Justizbereich. Unterdessen hat der Vorsitzende des Landtagsausschusses für Verfassung, Recht und Europa für Anfang Januar eine Sondersitzung angekündigt, um sich mit der "Causa Hauser" befassen, wie Justizminister Geert Mackenroth (CDU) die Vorgänge um seine Staatssekretärin nennt.

Minister Mackenroth sieht in der Kritik an der Spitzenbeamtin eine "diffamierende Kampagne" seitens der Juristenverbände. "In der Fläche" seien die Justizbeamten hingegen sehr zufrieden mit der Amtschefin. Indes werden unter sächsischen Richtern und Staatsanwälten immer wieder kritische Worte über die Staatssekretärin laut, mittlerweile justizintern den Spitznamen "Königskobra" tragen soll. Unter anderem wirft man Hauser eine eigenwillige Personalpolitik vor, in deren Rahmen sie "in der Sache willkürlich und in der Form autoritär bis unverschämt" mit Bewerbern umspringe, wie ein einflussreicher Richter behauptet.

"Bestimmte Leute, die zum Kreis ihrer Duzfreunde gehören", würden von Hauser in "teils atemberaubenden Tempo befördert", kritisiert ein sächsischer Staatsanwalt die 53-jährige Spitzenbeamtin, die vor ihrer Berufung zur Amtschefin einige Jahre lang Personalreferentin im Ministerium gewesen war. Justizbeamte, die sich durch kritische Äußerungen hervorgetan hätten, dürften hingegen kaum mit einem Aufstieg rechnen, sagt der Staatsanwalt. In diesem Zusammenhang wird auch auf Rechtsverfahren und Konkurrentenklagen hingewiesen, die Beförderungen oder das Ausbleiben derselben zum Streitgegenstand hatten.

Vorwürfe bezüglich der Personalpolitik weist das Ministerium entschieden zurück. Hingegen bestätigte das Justizressort schon vor Wochen zwei Telefonate, mit denen sich die Staatssekretärin vor drei Jahren in ein Bußgeldverfahren gegen einen Beamten des Innenministeriums eingeschaltet hatte. Der Mann hatte sich für einen befreundeten Autofahrer eingesetzt, den die Polizei bei einer abendlichen Alkoholfahrt angehalten hatte. Offenbar um sich vor der Blutprobe zu drücken, hatte der Autofahrer den Ministerialen herbeigerufen. Als dieser postwendend eintraf, hielten die Polizeibeamten ihn für den Anwalt des Fahrers.

Tatsächlich gelang es, die Blutprobe eine Weile herauszuzögern. Bei der späteren Blutabnahme wurde die kritische Schwelle von 1,1 Promille nicht mehr überschritten. Die Polizisten sahen den Tatbestand der Strafvereitelung gegeben, ein Bautzener Staatsanwalt eröffnete ein Verfahren und bot dem Ministerialbeamten an, es gegen einen Bußgeldbescheid einzustellen. Daraufhin beschwerte sich dessen Vorgesetzter, der damalige Staatssekretär im Innenministerium, bei Gabriele Hauser, seiner Kollegin im Justizressort. Die griff zum Telefon. Freilich habe sie nicht ins Verfahren eingreifen wollen, es sei ihr lediglich darum gegangen, "für eine objektive Bearbeitung Sorge zu tragen", heißt es nun in der Antwort des Ministeriums auf eine Abgeordnetenanfrage. Zur Verteidigung seiner Staatssekretärin räumt Minister Mackenroth überdies ein, dass sie damals, gerade frisch im Amt, "wohl noch etwas blauäugig" gewesen sei und "in richterlicher Mentalität" direkt zum Telefon gegriffen habe.

Zweimal telefonierte Hauser. Danach waren die Ermittlungen sang- und klanglos eingestellt. Stattdessen wurde später ein Disziplinarverfahren gegen den Staatsanwalt eingeleitet, der sich mit den Worten gegen die Verfahrenseinstellung gewehrt hatte, "in was für einer Bananenrepublik" er sich wohl befinde. Während der Fall hinter den Kulissen der Justiz einige Folgewirkung hatte, blieb er der Öffentlichkeit jahrelang verborgen - bis die "Neue Richtervereinigung" in diesem Herbst darauf aufmerksam machte.

Mittlerweile hat der Dresdner Oberstaatsanwalt Christian Avenarius als Sprecher der Vereinigung Hausers Rücktritt gefordert. Auch der ehemalige sächsische Datenschutzbeauftragte und angesehene Anwalt Thomas Giesen erhebt schwere Vorwürfe gegen den Justizminister: Mackenroth verkaufe "die Einmischung" der Staatssekretärin als "harmlosen Normalfall". Tatsächlich stelle sie jedoch eine rechtswidrige Verletzung der Gewaltenteilung dar, so Giesen - denn die Justiz müsse "frei von fremden Einflüssen" bleiben, "und seien sie noch so gut gemeint".
Von Christiane Kohl