Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 23.12.2008

Der neue Rettungsplan für Qimonda ist noch nicht unter Dach und Fach

Politik, Gewerkschaften und Analysten sehen im Kredit von 325 Millionen Euro nur eine Notlösung.
 
Dresden/Lissabon. Die Rettung für das Dresdner Werk des angeschlagenen Chipherstellers Qimonda ist nach Ansicht von Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) noch nicht gesichert. Es sei noch „viel Arbeit zu leisten“, betonte er gestern. Bislang läge nur eine Absichtserklärung vor. „Das ist ja kein Vertrag und auch kein Scheck, den man in der Hand hält.“

Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) hatte Qimonda am Sonntag einen Kredit von 325 Millionen Euro in Aussicht gestellt, den sich Sachsen (150 Millionen), der Qimonda-Mutterkonzern Infineon (75 Millionen) und Portugal (100 Millionen) teilen. Jurk hatte sich dabei allerdings weder detailliert mit Tillich abgesprochen, noch seine Kabinettskollegen über die neue Lage informiert. Tillich hatte zwar seinen Vize mit der Federführung bei der Lösungssuche beauftragt – wurde aber vom öffentlichen Vorpreschen Jurks völlig überrrascht.

Man warte jetzt erst einmal, bis Jurk alle Details seines Deals mit Qimonda und Infineon vorgelegt habe, heißt es in CDU-Kreisen. Jurks Verhandlungen seien allenfalls ein „Zwischenergebnis“. Mit Spannung wird daher die heutige Kabinettssitzung erwartet.

Tillich betonte unterdessen gestern auffallend oft, Infineon müsse weiterhin die von Sachsen aufgestellten Bedingungen aus dem ersten Rettungspaket erfüllen. Dazu gehörte eine Zahlung von 150 Millionen Euro – Infineon gibt nach Jurks Modell nun nur die Hälfte – sowie eine Bestandsgarantie für die geplante Erweiterung des Dresdner Werks. Diese Bedingungen hatte Infineon jedoch abgelehnt. Sie sind auch nicht mehr ausdrücklicher Bestandteil des neuen Rettungsplans. Das steht möglicherweise im Widerspruch zum Kabinettsbeschluss von voriger Woche.

Seinen Unmut darüber machte der CDU-Landtagsabgeordnete und Ex-Innenminister Heinz Eggert bereits Luft. Infineon bringe nicht einmal ein Drittel der 325 Millionen auf. Sachsen und Portugal hingegen trügen ein „millionenschweres Restrisiko“. Tillich solle Jurk entlassen und von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen. Der Regierungschef aber will die Tür nicht ganz zuschlagen. Er sei erfreut über die Hilfe aus Portugal. „Ich bin froh darüber, dass die Regierung in Lissabon das jetzige Vorhaben mit 100 Millionen Euro unterstützen will.“

Qimonda betreibt in Portugal ein Werk mit 2000 Beschäftigten. In Vila do Conde nordwestlich von Porto werden die in Dresden produzierten Wafer endbearbeitet. Portugals Wirtschaftsminister sieht in dem Kredit eine Lösung von „sechs bis zwölf Monaten“. Zudem zeigte er sich erfreut, dass Qimonda den Technologietransfer nach Portugal verstärken wolle. Der Wirtschaftszeitung „Jornal de Negocios“ zufolge ist Qimonda – von Banken abgesehen – das erste Privatunternehmen Portugals, das staatlich gestützt wird. Qimonda sei mit 1,4 Milliarden Euro immerhin größter Exporteur des Landes.

Unklar ist, zu welchen Konditionen die Darlehen von Sachsen, Portugal und Infineon gewährt werden. Die EU hat ebenfalls noch nicht zugestimmt. Brüssel bestätigte aber, seit rund zwei Wochen mit deutschen Behörden an den technischen Details der Hilfe zu arbeiten.

Als „überraschend“ wertete Olivier Höbel, IG-Metall-Chef für Berlin, Brandenburg und Sachsen, den Einstieg Portugals. Das zeige, dass für Qimonda nur auf europäischer Ebene eine Lösung gefunden werden könne. „Nur Geld geben, reicht aber nicht“, sagte Höbel. Vielmehr müsse nun auch die Bundesregierung alle Kontakte nutzen, um eine langfristige Lösung für die Halbleiterindustrie in Sachsen zu finden.

Jerome Ramel, Analyst für die Halbleiterbranche bei der französischen Großbank BNP-Baribas, kritisierte, dass aus den Verlautbarungen Qimondas keine langfristige Strategie ersichtlich sei. Er erwartet, dass Qimonda sein 300-Millimeter-Werk in den USA verkauft. Den Anteil von 75 Millionen Euro für Infineon bewertet Ramel als sehr günstig – in Relation zu den Kosten, die auf Infineon im Falle einer Qimonda-Pleite zukämen. Allein Sachsen erhielte dann rund 300 Millionen Euro Fördermittel zurück. An der Börse legte die Qimonda-Aktie um mehr als 50 Prozent, das Infineon-Papier um gut neun Prozent zu. (mit dpa/ddp)
Von Annette Binninger und Ulrich Wolf