Karl Nolle, MdL
DNN, 03.05.2001
Staatskanzlei nimmt Stellung zu Vorwürfen gegen den Ministerpräsidenten
Biedenkopf soll 6000 Mark nachzahlen
DRESDEN. Großer Bahnhof gestern im Landtag: Anderthalb Stunden lang gab der Chef der Staatskanzlei, Georg Brüggen, vor einem bundesweiten Medienaufgebot Auskunft über Details der Wohnverhältnisse des Ehepaars Biedenkopf im Gästehaus des Freistaates, über deren Personal, Dienstfahrten und Hubschrauberflüge. Das Ergebnis der Arbeitsgruppe, die sich vier Wochen mit vielen Details in der Dresdner Schevenstraße auseinander setzte und einen 100-seitigen Bericht vorlegte: Bei der Regelung der Angelegenheiten der Biedenkopfs wurden erhebliche Fehler begangen, die jetzt geändert werden sollen. Biedenkopf wird dafür einen Betrag nachzahlen - nach Mutmaßungen Brüggens um die 6000 Mark, wenn angeblich überhöhte Mietzahlungen und Dienstleistungen des Landes verrechnet würden.
Der Ministerpräsident äußerte sich zugleich erstmals selbst zu den Vorwürfen und kündigte in einer Erklärung an, die Verpflichtungen zu begleichen. "So weit es dabei zweifelhaft ist, ob tatsächlich bezahlt werden musste oder nicht, möchte ich, dass zu meinen Lasten entschieden wird", betonte Biedenkopf. Einer der größten Fehler: Trotz einer Rüge des Landesrechnungshofes 1994, bei dem bereits diverse Mängel benannt wurden, geschah nichts. Biedenkopf erklärte, dass damals das Finanzministerium und die Staatskanzlei nicht reagierten, sei "bedauerlich". Die Aufgaben müssten nun "unter sehr viel ungünstigeren Bedingungen" erledigt werden.
Mit dem Bericht ist klar, dass das gesamte Personal des Gästehauses - unter anderem Koch, Putzfrau und Gärtner - den Biedenkopfs unentgeltlich zur Verfügung stand. Diese Serviceleistungen seien vertraglich so geregelt und würden durch den Freistaat abgedeckt. Brüggen schloss dabei ausdrücklich nicht aus, dass die Bediensteten auch für private Zwecke im Haus der Familie am Chiemsee eingesetzt wurden. Für diese Fälle setzten die Ermittler einen geldwerten Vorteil von 31600 Mark an, Biedenkopf muss 15 800 Mark nachzahlen. Ähnlich verhält es sich mit der Fahrbereitschaft des Innenministeriums. So wurden zum Beispiel "Stadtfahrten" ohne nähere Angabe ausgeführt. Auch dafür will Biedenkopf nun zahlen.
Eine weitere Botschaft des Berichtes lautet: Die Verantwortung für die Fehler würden Mitarbeiter des Finanzministeriums wie der frühere Staatssekretär Karl-Heinz Carl und der frühere Chef der Staatskanzlei, Günter Meyer, tragen. Es sei 1994 - als zahlreiche Minister aus der einstigen Politiker-WG auszogen - versäumt worden, auf "Normalbetrieb" umzustellen, sagte Brüggen. So wurden beispielsweise Gästemeldungen unterlassen und Wohnzeiten von Familienangehörigen nicht abgerechnet.
Über Ingrid Biedenkopf sagte Brüggen, sie habe sich um die Wohnverhältnisse in der Schevenstraße gekümmert "wie ein Feldwebel in der Kompanie". Zugleich habe sie auf die Verträge mit der Liegenschaftsverwaltung Einfluss genommen. Ob sich das Gästehaus in der Schevenstraße überhaupt finanziell für den Freistaat rechnet, soll noch ein weiteres Wirtschaftlichkeitsgutachten klären, dass dem Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages Ende Mai vorgelegt werden soll.
Für die Opposition ist der Fall Schevenstraße noch lange nicht erledigt. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle, der den Stein ins Rollen gebracht hatte, warf der Staatsregierung "unglaubliche Schlampereien" vor, die man nicht hinnehmen könne. Die SPD-Fraktion wolle versuchen, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der PDS-Fraktion, André Hahn, ließ eine Beteiligung daran noch offen. Denkbar sei auch eine Erweiterung des Paunsdorf-Untersuchungsausschusses. PDS-Chef Peter Porsch verlangte unterdessen erneut Biedenkopfs Rücktritt: "Ein Ministerpräsident, der seine Mehrheit im Landtag nur noch mit Unwahrheiten retten kann, ist für dieses Land untragbar", so Porsch. Er forderte CDU-Fraktionschef Fritz Hähle auf, ein Misstrauensvotum zu stellen. Die CDU sieht den Fall indes anders: Man könne dem Ministerpräsidenten keine gewollte Vorteilsnahme vorwerfen.
(Sven Heitkamp)