Karl Nolle, MdL
DNN, 03.05.2001
Zu Affäre Biedenkopf
Königliches Spiel
DRESDEN. Das gestern vorgestellte Mietgutachten hat Ministerpräsident Kurt Biedenkopf entlastet. Es schenkt ihm eine kurze Verschnaufpause, aber die sehnlichst gewünschte Ruhe wird es ihm nicht bescheren. Der Bericht des Rechnungshofes steht noch aus, die SPD denkt bereits laut über einen Untersuchungsausschuss zur sogenannten „Miet-Affäre“ nach.
Die Hatz auf den waidwunden Ministerpräsidenten geht weiter. So sagt das Gutachten auch aus, dass Biedenkopf zwischen Dienstlichem und Privatem nicht sauber getrennt hat. Es geht ganz eindeutig nicht um Bereicherung. Auf die Füße fällt dem Regenten und seiner Familie die Art der Amtsführungen, die seit Jahren für jeden sichtbar und von vielen lange beklatscht signalisierte: Wir sind Ministerpräsident, und das Personal ist uns jederzeit zu Diensten. Das Gutachten setzt aber vor allem keinen Schlussstrich, weil die entscheidende Frage, die Ursache der ganzen Treibjagd ist, nach wie vor unbeantwortet bleibt: Wie, oder besser: mit wem, geht Sachsen in die Zukunft?
Zwei Szenarien deuten sich dabei an: Biedenkopf nimmt das Heft des Handelns noch ein letztes Mal in die Hand und erklärt unter Nennung eines Nachfolgers seinen Rücktritt. Oder die Partei wählt im September einen neuen vorsitzenden, der dann mit großer Wahrscheinlichkeit Milbradt heißt, und löst das Problem damit selbst. So oder so ist Biedenkopf ein Ministerpräsident auf Abruf, eine „lahme Ente“ wie es im Fachjargon heißt.
Von der Glanzgestalt Biedenkopf ist nicht viel übrig geblieben. Vor einem Jahr war er bundesweit einer der beliebtesten und geachtetsten Politiker im Lande, sollte gar die Union nach Spendenaffäre vor dem Untergang bewahren. Heute ist er selbst schwer beschädigt, weil er im Amt verharrt, weil er Fehlentscheidungen getroffen hat, die er selbst nicht mehr korrigieren kann.
Dass ist das Bittere an der ganzen Geschichte. Sachsen hat Biedenkopf (und auch seiner Frau) viel zu verdanken. Die Mehrheit hätte ihm einen glanzvollen Abgang gegönnt. Aber Biedenkopf hat das königliche Spiel nicht bis zum Schluss beherrscht. Er dachte mit dem Rausschmiss von Finanzminister Georg Milbradt ein Bauernopfer zu bringen. Tatsächlich hat er damit den Angriff auf König Kurt erst ermöglicht.
(Dirk Birgel)