Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 24.01.2009

Welche Chance hat Qimonda noch?

 
Dresden. Die Speicherchipfirmen Qimonda AG und Qimonda OHG Dresden haben am Freitag beim Amtsgericht München ein Insolvenzverfahren beantragt. Die SZ erklärt, wie es dazu kommen konnte und wie es nun weitergeht.

Wie ist Qimonda in diese schwere Krise geraten?

Dafür gibt es vor allem drei Gründe. Erstens: Angelockt durch hohe Subventionen, entstanden zunächst in Europa, dann in Asien viele Speicherchipfabriken. Zu viele. Seit Mitte 2006 übersteigt die Produktion die Nachfrage deutlich. Zweitens: Diese Überkapazitäten führten zu einem Preissturz bei Speicherchips. Die Folge: Die Einnahmen decken die Produktionskosten nicht mehr. Qimonda machte zuletzt mit jedem umgesetzten Euro 30 Cent Verlust. Pro Monat waren es nach SZ-Informationen zuletzt 100 Millionen Euro. Bis Ende Juli 2008 betrugen die Verbindlichkeiten für Zins- und Tilgungszahlungen, Lieferantenrechnungen, Pensionsverpflichtungen und Steuern gut zwei Milliarden Euro. Das Eigenkapital lag um 100 Millionen Euro darunter. Neuere Zahlen liegen nicht vor, da Qimonda zufolge die Bilanz mangels ungeklärter Finanzierung nicht testiert wird. Drittens: Das Management hat zu viele Strategiewechsel vorgenommen und sich zu spät auf eine neue, in Dresden entwickelte Technologie konzentriert.

Was ist mit einer Insolvenz noch zu Retten?

Eine Insolvenz bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Lichter ausgehen. Der Zwangsverwalter wird jetzt Qimonda durchleuchten und dann entscheiden: Sind Betriebsteile fortzuführen? Was wird verkauft? Was wird aufgegeben? Er muss dabei die Interessen der Gläubiger berücksichtigen. Der Qimonda-Standort Dresden ist für seine Entwicklungsleistungen bekannt – vermutlich wird er im Kern erhalten und mit einer deutlich kleineren Belegschaft fortgeführt.

Welche Folgen hat die Pleite für Sachsens Chipindustrie?

Bei Qimonda sind derzeit gut 3000 Leute beschäftigt. Im schlimmsten Fall sind einem Gutachten der Landesregierung zufolge bis zu 10000 direkte und indirekte Arbeitsplätze gefährdet. Das wäre ein schwerer Rückschlag für die deutsche und europäische Chipindustrie. Immerhin ist Dresden der größte Mikroelektronik-Standort Europas.

Ist der Forschungsstandort Sachsen gefährdet?

Qimonda betreibt gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden das Nanotechnologie-Institut Namlab. Dessen Ausbau liegt bereits seit Monaten auf Eis. Qimonda ist zudem am Lithografie-Maskenwerk AMTC beteiligt. Völlig offen ist die Lage beim Fraunhofer-Institut für Nanoelektronische Technologien (CNT) – einer Allianz von Qimonda, AMD und der Fraunhofer-Gesellschaft. Das CNT nutzt Reinräume von Qimonda. Ob das weiter möglich ist, weiß derzeit niemand.

Hat die Insolvenz folgen für den Infineon-Konzern?

Ja. Infineon hält 77,5 Prozent an Qimonda. Deshalb treffen die Folgen auch den Mutterkonzern. Infineon kündigte an, „einen niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag“ zurückzustellen. Im Raum stehen Kosten aus kartell- und wertpapierrechtlichen Verfahren von Qimonda, die Rückzahlung von Fördermitteln und „mitarbeiterbezogene Eventualverbindlichkeiten“. Infineon leidet selbst unter der Chipkrise und schreibt in seinem Kerngeschäft – dem Bau von Logikchips – Verluste. In Dresden sind gut 1900 Leute für Infineon tätig.

Was kann die Politik jetzt noch ausrichten?

Nur in Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter kann der Freistaat Teile von Qimonda retten. Ein neuer Investor dürfte staatliche Finanzhilfe bekommen. Entscheidend ist jetzt, den Kern der Forschungs- und Entwicklungsarbeit von Qimonda in Dresden zu halten.
Von Ulrich Wolf, Annette Binninger und Stephan Schön