Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 17:14 Uhr, 30.01.2009

SPD-Widerstand gegen Verschärfung des Versammlungsgesetzes

- Jurist erhebt verfassungsrechtliche Bedenken - Panter kritisiert Mackenroth
 
Dresden/Chemnitz (ddp-lsc). Die von der CDU/SPD-Koalition geplante Verschärfung des Versammlungsrechts in Sachsen steht auf der Kippe. Aus SPD-Sicht gibt es gravierende rechtliche Bedenken gegen den von Justizminister Geert Mackenroth (CDU) im März 2008 in den Landtag eingebrachten Gesetzentwurf. Es bestehe die Gefahr, dass die Regelung bei der erstbesten Klage gegen ein Demonstrationsverbot kassiert werde, sagte der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen (ASJ), Harald Baumann-Hasske, am Freitag. SPD-Generalsekretär Dirk Panter wies zugleich den Vorwurf zurück, die SPD sei untätig geblieben. Die Kritik Mackenroths sei «blanker Populismus», der Ressortchef ein «Ankündigungsminister».

Schon seit längerem sei klar, dass das Gesetz nicht mehr rechtzeitig verabschiedet werden könne, um einen Aufzug der Rechtsextremen zum 13. Februar in Dresden zu verhindern, sagte Panter. Dazu verwies er auf rechtliche Bedenken von Experten, Versammlungsverbote in der von Mackenroth angestrebten Art und Weise durchzusetzen. Der Justizminister hatte zuvor gesagt, er könne über die «Verweigerung» der SPD im Freistaat «nur den Kopf schütteln». In diesem Jahr könne jedenfalls nicht wie von ihm ursprünglich angestrebt zum 13. Februar das Signal ausgesandt werden, «dass wir den Rechtsextremismus mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen - das stimmt mich traurig».

Dem Gesetzentwurf zufolge soll es möglich sein, an bestimmten Orten und Tagen Versammlungen unter freiem Himmel zu verbieten, um die Würde von NS-Opfern zu bewahren. Dazu müsste nach Ansicht von ASJ-Chef Baumann-Hasske jedoch immer «die Gefahr bestehen, dass die jeweilige Versammlung dazu geeignet ist, Opfer des NS-Gewaltregimes zu verhöhnen». Nur die ehemaligen Konzentrationslager und Standorte bestehender oder zerstörter Synagogen seien rechtlich als «Symbole für Opfer des Holocausts» zu werten und damit schützenswert.

Unter Beachtung dieser Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts könnten deshalb weder an der Dresdner Frauenkirche noch am Leipziger Völkerschlachtdenkmal Demonstrationen generell verboten werden. Von den vorgesehenen acht sogenannten Erinnerungstagen, an denen Versammlungsverbote landesweit ermöglicht werden sollten, hält der Jurist lediglich den 9. November als Jahrestag der Judenpogrome von 1938 für «zweifellos zulässig». Schwierig sei es hingegen, etwa Aufzüge am Jahrestag der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 oder an dem des Hitlerattentats am 20. Juli 1944 gesetzlich zu verbieten. Dies gehe nur im Einzelfall, wenn aus der Versammlung heraus Straftaten zu befürchten seien.

Ursprünglich hatte der von Mackenroth forcierte Gesetzentwurf die Aufzüge von Rechtsextremisten zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 verhindern sollen. Auch dieser entsprechende Passus sei angreifbar. «Es wäre nichts schlimmer, als wenn ein Rechtsextremer mit einer Klage gegen das Demonstrationsverbot Recht erhält und das Gesetz kippt», warnte Baumann-Hasske.

CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer hatte hingegen bereits am Donnerstag den Entwurf des sächsischen Versammlungsrechts als «juristisch ausgefeilt» bezeichnet und der SPD eine unverantwortliche Blockade vorgeworfen. Panter wies dies zurück: «Entweder er hat keine Ahnung oder er hat bewusst die Unwahrheit gesagt».

(Quellen: Baumann-Hasske im ddp-Interview; Mackenroth in der Chemnitzer «Freien Presse» (Freitagausgabe); Panter auf ddp-Anfrage; Kretschmer in Mitteilung)

von Timo Moritz

ddp/tmo/mwa
301714 Jan 09