Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 17:28 Uhr, 30.01.2009

Juristische Schlappe für CDU im «Sachsensumpf»-Ausschuss

Richter beanstanden Verletzungen der Minderheitenrechte
 
Leipzig (ddp-lsc). Die CDU hat im Streit um die Aufarbeitung der Aktenaffäre durch einen Untersuchungsausschuss des Landtags erneut eine juristische Schlappe erlitten. Nachdem der sächsische Verfassungsgerichtshof im August 2008 die pauschale Verweigerungshaltung der Staatsregierung gerügt hatte, die bis dahin die Herausgabe sämtlicher Akten verweigert hatte, erklärten die Leipziger Richter am Freitag auch die von der CDU durchgesetzte Verhinderung von Zeugenvernehmungen im Frühjahr 2008 für rechtswidrig. Damit sahen sie Richter die fünf klagenden Oppositionsvertreter - vier Linke-Abgeordnete und das Ausschussmitglied der Grünen - in ihren Minderheitenrechten verletzt.

Dem Interesse der Minderheit komme ab einem gewissen Zeitpunkt der Vorrang gegenüber dem Interesse der Mehrheit an der Einhaltung einer bestimmten Reihenfolge in der Beweiserhebung zu, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Dieser Zeitpunkt sei im April 2008 erreicht gewesen. Gegen ihren damals abgelehnten Antrag hatten die fünf Oppositionsvertreter geklagt.

Der Untersuchungsausschuss war im Juli 2007 vom Landtag eingesetzt worden, nachdem die auch als «Sachsen-Sumpf» bezeichnete Affäre zwei Monate zuvor durch Bekanntwerden einer Datensammlung des Verfassungsschutzes zu angeblichen kriminellen Netzwerken ausgelöst worden war. Bis Ende September 2008 hatte das Gremium keine Zeugen vernehmen können, da die Regierung ihm die angeforderten Akten wegen der bezweifelten Verfassungsmäßigkeit vorenthielt. Die CDU-Vertreter im Ausschuss verhinderten bis dahin unter Verweis auf die nicht vorliegenden Unterlagen die Vernehmung von Zeugen, während sich die SPD-Vertreter im Gremium nach ddp-Informationen zuletzt enthalten hatten.

Nach Ansicht der Verfassungsrichter ist zwar rechtlich «nichts dagegen einzuwenden», wenn die Ausschussmehrheit die Beweisaufnahme in einer bestimmten Ordnung gestalten wolle. Wenn es jedoch etwa zu Verzögerungen bei der Vorlage von Beweismitteln komme und die dadurch «freibleibenden Untersuchungskapazitäten» nicht anderweitig genutzt würden, könne es zu einem Zeitverlust kommen, der bis zum Ende der Ausschusstätigkeit nicht mehr zu kompensieren sei. Tatsächlich ist die Arbeit des Gremiums durch das baldige Ende der Legislaturperiode zeitlich limitiert.

Ausschusschef Klaus Bartl und Obfrau Caren Lay (beide Linke) sprachen nach der Urteilsverkündung von einer «Lehrstunde der Demokratie für Sachsens schwarze Regierungsmehrheit». Grünen-Obmann Johannes Lichdi, der ebenfalls zu den Klägern gehörte, nannte es ein «Armutszeugnis, dass wir in Sachsen erst alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen mussten, um die Aufklärungsarbeit im 2. Untersuchungsausschuss voranzubringen».

(Sächs VerfGH, Vf. 99-I-08)

(Weitere Quellen: Gericht und Abgeordnete in Mitteilungen)

von Timo Moritz

ddp/tmo/muc
301728 Jan 09


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