Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 09.02.2009
Von Blockflöten und von Karrieristen
Nolles Schwarzbuch löst in CDU Unruhe aus
Dresden. Eigentlich sollte das Werk vor Weihnachten fertig sein, jetzt aber ist das Erscheinen auf Ende März verschoben. Dass Karl Nolle, SPD-Aufklärer mit viel Gewicht und wenig Beißhemmung, einen Band zur DDR-Blockvergangenheit vieler CDU-Würdenträger in Arbeit hat, ist seit November bekannt. „Sonate für Blockflöten und Schalmeien“ soll das Schwarzbuch heißen und hat Sachsens Union in latente Unruhe versetzt.
Schließlich nahm sich der Dresdner Druckereibesitzer zuerst keinen Geringeren als Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) vor – wegen dessen Funktion als sogenannter Nomenklatur-Kader beim früheren Rat des Kreises. Seitdem ist wenig passiert: keine weiteren Enthüllungen, keine neuen Namen. Dennoch sorgt das Werk für aufgeregte Debatten, oder besser: Die schlichte Drohung genügt.
Das liegt an den Personen, die gehandelt werden. CDU-Minister nimmt Nolle aufs Korn, Landräte, Oberbürgermeister, Landtagsabgeordnete, Verbandsfunktionäre, Polizisten. Die Namen sind weitgehend bekannt: Das halbe Kabinett ist vertreten, neben Tillich auch Albrecht Buttolo (Inneres), Frank Kupfer (Umwelt) und Christine Clauß (Soziales). Hinzu kommen Ex-Ressortchefs wie Horst Metz, Hermann Winkler – und Heinz Eggert. Der frühere Innenminister soll laut Nolle geduldet haben, dass Hunderte Stasioffiziere im öffentlichen Dienst weiterarbeiten konnten.
Dass sich das Werk verzögert, hat laut Nolle vor allem einen Grund: Nach der Tillich-Debatte müsse es erweitert werden, von ursprünglich 150 auf vielleicht 250 Seiten. Denn der SPD-Mann will neue Facetten dokumentieren: seine 105 Anfragen zu Tillich, den unerfreulichen Schriftverkehr mit der Staatskanzlei, Dutzende E-Mails von Bürgern – auch nicht alle erfreulich. Doch daneben dürfte Nolle auch taktische Gründe haben. Kann er doch so die ungeliebte CDU weiter im Ungewissen lassen – je näher das Werk an den Wahlkampfstart rückt, um so brisanter wird es.
Das sorgt für Kritik. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer wiederholte jüngst seinen alten Vorwurf, Nolle, der Wessi, verunglimpfe Ost-Biografien. Tenor: „Nur wer in der DDR gelebt hat, kann über die Lebenswege der Ostdeutschen urteilen.“ Das sehen andere anders. Kretschmer, meinte Linken-Landesgeschäftsführer Rico Gebhardt, spiele sich „als Beschützer der Ostdeutschen auf“. Es sei unspektakulär, dass CDU-Mitglieder zu DDR-Zeiten Verantwortung übernommen hätten. Er habe jedoch „ein Problem damit, dass das heute oft verschwiegen oder umgedeutet wird“.
Nolle fühlt sich ebenfalls missverstanden. Ihm gehe es nicht darum, 17 Millionen Ostdeutsche an den Pranger zu stellen; es gehe noch nicht einmal um einfache Block-CDU-Mitglieder. Im Zentrum ständen vielmehr jene 0,2 Prozent der DDR-Bevölkerung, die als Staatsfunktionäre mit CDU-Parteibuch Karriere gemacht hätten – und daran heute nicht mehr erinnert werden wollten.
So ist für Disput gesorgt. Etwa um Volker Uhlig, Landrat von Mittelsachsen. Der war SED-Mitglied bis 1989 und trat erst kürzlich in die CDU ein. Oder um Klaus Baumann, Oberbürgermeister von Zschopau, sowie Würdenträger in Glauchau und Mühlau, für die Ähnliches gilt.
Weitere Kapitel drehen sich um Landespolizeipräsident Bernd Merbitz, Handwerkstag-Präsident Joachim Dirschka und den langjährigen Präsidenten des Landkreistages, Andreas Schramm. Letzterer soll laut Nolle zu DDR-Zeiten immerhin CDU-Kreisschulungsreferent gewesen sein.
von Jürgen Kochinke