Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 24.02.2009
Verlierer Hoyerswerda
Bevölkerungsprognose: Ostdeutschland droht dramatische Entwicklung – starkes Minus auch in Sachsen
Leipzig. Deutschland vergreist, der Osten blutet aus und wird zum Altenheim der Republik – das ist das ernüchternde Fazit der Raumordnungsprognose 2025 des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung. Dabei kommt Sachsen im Vergleich zu anderen ostdeutschen Bundesländern noch relativ gut weg.
„Bevölkerungsabnahme und Alterung treffen vor allem die neuen Bundesländer: Die Zahl der Jungen, der unter 20-Jährigen, nimmt hier bis 2025 um gut ein Viertel ab, die Zahl der Älteren, der über 60-Jährigen, dagegen um mehr als ein Viertel zu“, heißt es in der neuen Prognose des Bundesamtes.
Die nackten Zahlen sind schockierend, auch wenn andere Institute in den vergangenen Jahren bereits vor der demografischen Entwicklung gewarnt haben. Während die Bevölkerung in Westdeutschland in den nächsten 16 Jahren etwa konstant bei knapp 66 Millionen Menschen liegen wird, rutscht der Osten um elf Prozent auf nur noch 14,8 Millionen ab. Nur noch jeder Siebente wird unter 20 Jahre sein, die Zahl der jüngeren sogenannten Erwerbspersonen (unter 30) sinkt dramatisch um 40 Prozent, so das Bundesamt.
Das sächsische Hoyerswerda ist statistisch gesehen am stärksten von der negativen Entwicklung betroffen. Die Einwohnerzahl wird demnach von derzeit rund 40 000 auf nur noch etwas mehr als 24 000 zurückgehen. Das entspricht einem Rückgang von fast 40 Prozent. Mit deutlichem Abstand folgen die Städte Frankfurt/Oder in Brandenburg und Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern, wo die Bevölkerung voraussichtlich um 28 Prozent schrumpfen wird. Allgemein gelten diese beiden Bundesländer sowie mit Abstrichen auch Sachsen-Anhalt zu den großen Verlierern. Für Sachsen wird ein durchschnittlicher Bevölkerungsrückgang um zehn Prozent erwartet, wobei die „Speckgürtel“ um Dresden und Leipzig noch den wenigsten Rückgang haben werden.
„Einer immer größer werdenden Gruppe von Städten und Gemeinden mit Schrumpfungstendenzen steht eine immer kleiner werdende Gruppe mit teils noch kräftigem Wachstum bei Bevölkerung, Haushalten und Erwerbspersonen gegenüber“, heißt es in der Prognose. Das sieht auch Martin T. W. Rosenfeld, Stadtökonom beim Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH), so: „Es ist ein Nullsummenspiel. Es können nicht alle Regionen einwohnermäßig wachsen. Einige werden immer das Nachsehen haben – und diese werden in Zukunft auch noch zunehmen, zunächst vor allem in Ostdeutschland.“
Rosenfeld warnt jedoch davor, angesichts der neuen Zahlen in Panik zu verfallen: „Prognosen setzen voraus, dass die Verhältnisse bleiben, wie sie momentan sind. Das kann man aber nie wirklich wissen.“ So hätte vor fünf bis zehn Jahren für die Stadt Bitterfeld/Wolfen wohl niemand einen wirtschaftlichen Aufschwung erwartet – den man heute dank der Solartechnologie erleben kann. „Vielleicht wird Hoyerswerda ein ähnliches Schicksal beschert? Vielleicht bessern sich die wirtschaftlichen Bedingungen im Osten insgesamt? Vielleicht sind auch Kinder wieder schick?“, erklärt der Stadtökonom. Gleiches gilt offenbar auch für Dresden und Leipzig: Während das Bundesamt von einem pessimistischen Grundtenor ausgeht, sehen sowohl die Bertelsmann-Stiftung als auch das Berlin-Institut für Bevölkerungsentwicklung die beiden sächsischen Großstädte neben Berlin-Potsdam und Jena als Boomregionen des Ostens – mit entsprechenden Zuwächsen.
Allerdings: Die wirtschaftlichen Probleme in vielen Ost-Regionen werden mittelfristig bleiben – in der einen Region weniger, in den anderen Regionen mehr. Soviel steht bereits fest. „Die demografischen Veränderungen sind ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Entwicklung und werden von der Zu- oder Abwanderung beeinflusst“, macht Rosenfeld klar. Deshalb sei es zwar wichtig, dass sich die neuen Bundesländer um Investitionen bemühen, es müsse aber auch insbesondere das Image verbessert werden. Nicht nur, damit die Jungen bleiben, sondern auch, dass die Jungen, beispielsweise Studenten, stärker als bisher auch von West nach Ost ziehen. „Nur so kann es zu einer klaren Trendwende zugunsten der neuen Bundesländer kommen.“
Von ANDREAS DEBSKI