Karl Nolle, MdL

BILD-Zeitung Dresden, 04.05.2001

Rechnungshof forderte schon 1994: 92 Mark Miete pro qm wären gerecht

Vermerk des Landesrechnungshofes ist purer Sprengstoff
 
DRESDEN. Staatskanzleichef Georg Brüggen (42) hatte vor vier Wochen „brutalstmögliche“ Aufklärung der Putzfrauenaffäre versprochen. Das stellt sich nun die Frage: Warum hält er die Anlagen zu seinem Bericht geheim? – Vielleicht, weil sich ein Vermerk des Landesrechnungshofes darunter befindet? Der ist nämlich purer Sprengstoff!

Im Mai 1994 schickte Karl Knief, damals Direktor des Rechnungshofes, unter dem Aktenzeichen II-0411000H1L einen Vermerk an den damaligen Finanzstaatssekretär Karl-Heinz Carl. Betreff: „Querschnittsprüfung Nutzung von Liegenschaften für Gästehäuser u. ä., hier: Wohnsitz und Gästehaus des Ministerpräsidenten Schevenstraße“.

Darin prangerte er damals schon die Privilegien der Dauergäste in der Schevenstraße an. In dem Schreiben (liegt BILD vor) stand schon fast alles, was den Biedenkopfs heute vorgeworfen wird.

Knief bemängelte z.B., der Freistaat zahle für Parkgrundstück (5710 qm) und 700 qm Nutzfläche monatlich 10.500 Mark an die Treuhand. Das sind 15 Mark Kaltmiete pro Quadratmeter. Darüber hinaus müsse Sachsen aber auch für alle anderen Kosten (Wartung und Betrieb der technischen Anlagen, Reparaturen, etc.) und fürs Personal (rund 300.000 Mark pro Jahr) aufkommen.

Allein 1992 entstanden dadurch rund 646.000 Mark Kosten. Die Mieteinnahmen beliefen sich aber nur auf 30.472 Mark. Denn ab April 1991 zahlten die Mieter 10 Mark Miete.

Knief schreibt: „Ungeklärt ist immer noch, warum eine Mietwertberechnung des Sächsischen Finanzministeriums vom 13. März 1991, die zu einer Miete von 20 DM/qm führte, nicht umgesetzt wurde.“ Eine Neufestsetzung erfolgte erst Anfang 1993! Dagegen erhoben „mehrere Mieter Einwendungen mit zum Teil widersprüchlichen Begründungen.“

Knief räumt zwar ein: „Die Amtswohnung des Ministerpräsidenten ist nicht Gegenstand der Prüfung.“ Stellt aber auch fest: „Die Haushaltspläne (1992 bis 1994) enthalten keine Ermächtigung, auf angemessene Entgelte zu verzichten.“ ... „Die Mitglieder der Staatsregierung müssen deshalb für die Nutzung von Räumen kostendeckende Entgelte zahlen.“

Knief: „Das Grundstück ist ohne Zweifel Mietpreis ungebunden... Für 1992 und die folgende Jahre war der Verzicht auf die Feststellung der tatsächlichen Kosten nicht mehr vertretbar.“

Und dann berechnet der Rechnungshofdirektor die angemessenen Entgelte: Für 1992 rund 77 Mark pro Quadratmeter, für 1993 sogar 92 Mark! Denn: „Im Grunde handelt es sich um eine hotelähnliche Unterbringung.“ Durch die viel zu geringen Einnahmen seien dem Freistaat bis zu 306.000 Mark pro Jahr entgangen.

Knief bat den Finanzstaatssekretär bis Ende Mai 1994 um Stellungnahme. Der schickte das Papier sogleich an Biedenkopfs Staatskanzlei. Regierungssprecher Michael Sagurna (45): „Aber in unserem Haus ist der Brief irgendwie verschwunden...“
(Dieter Schlüter)