Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 07.03.2009

„Die Ost-CDU sollte die Klappe halten“

Wolfgang Tiefensee (SPD), Bundesminister für den Aufbau Ost, wirft der CDU eine unseriöse Debatte um die Vergangenheit vor.
 
Herr Tiefensee, Sie galten als SPD-Hoffnungsträger für Sachsen. Jetzt streben Sie ein Bundestagsmandat an. Ist das Ihr endgültiger politischer Abschied aus dem Freistaat?

Auf keinen Fall, im Gegenteil. Ich bin seit 2005 im SPD-Parteivorstand und zwar für die Sozialdemokratie in Sachsen. Als Bundestagsabgeordneter will ich meine Erfahrungen in der Kommunal- und der Landespolitik einbringen.

Aber Sie sehen Ihren politischen Platz schon in Berlin?

Mein politischer Platz ist Leipzig. Ich möchte für Leipzig in den Bundestag ziehen.

Die SPD hat in Berlin und Dresden Erfahrungen mit einer Großen Koalition gemacht. Will die Partei weiter mit der Union regieren?

Die SPD koaliert mit der Partei, mit der sie die meisten ihrer Projekte durchsetzen kann.

Wer gehört alles nicht zum demokratischen Spektrum?

Die NPD ist keine demokratische Partei. Wenn die Bedingungen es erlauben, sollte so schnell wie möglich ein Verbotsverfahren eingeleitet werden. Das bleibt nach wie vor das Ziel der SPD. Wir wollen im Wahlkampf deutlich gegen Rechtsextremismus und Neonazis auftreten. Mich treibt das auch ganz persönlich um, weil ich mit Sorge sehe, dass dieses menschenverachtende Gedankengut Schritt für Schritt in die Mitte der Gesellschaft rückt.

Und Rot-Rot in Sachsen ist möglich?

Die SPD wird weder im Saarland, noch in Thüringen oder in Sachsen einen Ministerpräsidenten der Linken wählen. Aber lassen Sie uns nicht über mögliche oder nicht-mögliche Koalitionen sprechen. Die ganzen Koalitionsspielchen lenken nur von den eigentlichen Themen ab. Wir wollen Sachsen so gestalten, dass jeder unabhängig vom Geldbeutel entsprechend seiner Begabung an der Gesellschaft teilhaben kann. Ich werde die nächsten vier Jahre weiter für die Vollendung der sozialen Einheit in Deutschland kämpfen.

Wann wird also die Ostrente ans Westniveau angeglichen?

Ziel der Bundesregierung bleibt, eine Angleichung der Rentensysteme in Ost und West zu schaffen. Wir sollten alles daran setzen, dies spätestens bis zum Auslaufen des SolidarpaktesII Ende 2019 zu schaffen.

Wir wollen noch in dieser Wahlperiode einen festen Fahrplan vereinbaren. Klar ist: Es darf weder Nachteile für die jetzigen Rentner noch für die jungen Leute geben, die später Rente beziehen werden.

Was gehört noch zur sozialen Einheit?

Für mich steht obenan der Kampf für einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro in Ost- und Westdeutschland. Das soll die unterste Haltelinie sein, damit Menschen nicht als sogenannte Aufstocker zur Arbeitsagentur gehen müssen, die qualifiziert sind und eine Top-Arbeit leisten.

Was kann der Aufbau-Ost-Minister tun, um den Abbau von Arbeitsplätzen in der Krise zu verhindern?

Die gesamte Sonderförderung für die Wirtschaft in Ostdeutschland ist aufgestockt und verlängert worden, und sie ist vertraglich festgelegt.

Von den Konjunkturprogrammen profitiert der Osten überproportional. Auch die erweiterten Kurzarbeiterregeln helfen in den neuen Ländern, Arbeitsplätze zu erhalten. Nicht ein Minister allein, wir Ostdeutschen schaffen das.

Ist es klug, dass der „West-Import“ Karl Nolle jetzt für die SPD die Vergangenheit der Ost-CDU aufarbeitet ?

Zunächst zur Gegenwart: Gerade hat der sächsische Ministerpräsident eine Schlagzeile produziert: Die CDU hat keinen klaren Kurs. Das ist entlarvend. Tatsächlich nehmen in der CDU die Flügelkämpfe offenbar so zu, dass das auch Herrn Tillich auf die Nerven geht. Zu allen Fragen gibt es mindestens zwei Meinungen: Ob es um Banken geht, um Opel oder die überfällige Begrenzung von Managergehältern.

Und Nolle?

Die CDU hat es versäumt, sich ihrer DDR-Vergangenheit zu stellen. Stattdessen hat sie immer wieder versucht, die SPD mit Häme an den Pranger zu stellen: Ihr spielt mit den dunkelroten Schmuddelkindern. Das ist höchst unseriös. Politiker, die in der DDR gemeinsame Sache mit der SED gemacht haben, sollten an dieser Stelle lieber die Klappe halten.


Stichwort Bahnprivatisierung: Ist sie durch die Krise endgültig vom Tisch?

Für mich steht die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG nicht mehr auf der Agenda. Jetzt steht im Vordergrund, wie die mit der Teilprivatisierung verbundenen Ziele auf anderem Wege erreicht werden können.

Das Gespräch führten Peter Heimann und Karin Schlottmann