Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 12.03.2009

Der Aufdeckungseiferer - .SPD-Mann Karl Nolle polarisiert auch innerhalb der eigenen Reihen

– zur Linkspartei will er nicht
 
Dresden. Der SPD-Mann Karl Nolle erhitzt weiter die Gemüter. Seit der Druckereibesitzer sein Buch über die DDR-Blockvergangenheit von CDU-Spitzen angekündigt hat, vergeht kaum ein Tag ohne neue Meldungen mit Erregungspotenzial. Die letzte lautet: Nolle spiele mit dem Gedanken, zur Linken zu wechseln – aus Frust über einen mäßigen Platz auf der SPD-Landesliste. Der Gedanke hat durchaus Charme, allerdings auch einen Nachteil: Er ist falsch.

Dass Karl Nolle ein Linker im Kreise der sächsischen Sozialdemokraten ist, ist kein Geheimnis. Erst am vergangenen Wochenende, beim SPD-Parteitag in Oschatz, hat er das mal wieder demonstriert. „Das Herz des Sozialismus ist die Freiheit“, rief er den Delegierten zu und legte nach: Die SPD habe sich von ihren politischen Wurzeln entfernt, sei nicht mehr das, was sie mal war: „Emanzipationsbewegung“. Eben dieser alte Geist der SPD müsse wieder belebt werden.

Sein Einsatz für das, was er „Vision des Demokratischen Sozialismus“ nennt, hat Nolle keineswegs geschadet. Die Delegierten votierten mit immerhin 86,1 Prozent für den Dresdner auf Platz 14. Dennoch ist es genau diese Platzierung, die für Spekulationen sorgt. Denn derzeit stellen die Sozialdemokraten nur 13 Abgeordnete im Landtag, und die Tatsache, dass einer ihrer Populärsten nach hinten rutscht, ist erklärungsbedürftig. Eine Erklärung lautet: Nolle gehe mit seinem Aufdeckungseifer auch einigen in der SPD-Spitze auf die Nerven – vor allem mit seinen Dauerattacken auf den Koalitionspartner CDU.

Nun ist es kein Geheimnis, das auch Nolle selbst mit dem Prozedere keineswegs einverstanden ist, allerdings hat er sich arrangiert. Schließlich gilt der Platz 14 als weitgehend sicher, zumal die SPD bei der Augustwahl zulegen dürfte. Das wiederum beobachten vor allem Christdemokraten mit Sorge, und weil Nolle selbst nicht mit Kritik spart, bläst der eine oder andere zur Gegenattacke. So warf CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer Nolle immer wieder vor, dieser urteile mit der „Wessi-Brille“ über Dinge, die er nicht verstehe; und Ex-Innenminister Heinz Eggert (CDU) drohte gar mit einer Klage für den Fall, dass der SPD-Mann auf die Veröffentlichung pikanter Passagen über ihn nicht verzichte.

Diese Gemengelage ist der Nährboden für ein wirres Bündel aus Spekulationen, Dementis – gewürzt mit einem Hauch Wahrheit. Mal wurde gestreut, der Alt-68er Nolle sei ein verkappter Kommunist; dann ging es darum, die SED habe vor ’89 womöglich seine Druckerei-Kunden im Westen bezahlt. Die neueste Variante dreht sich nun um Nolles Liebäugeln mit der Linken. Dabei ist klar: In der Tat wäre Nolle im Fall der Fälle einer der ersten in der Sachsen-SPD, der für einen Wechsel in Frage käme; und natürlich gibt es bei den Linken manch einen, der ihn auf der Rechnung hat. Hinzu kommen Kontakte zu Leuten aus dem weiteren Umfeld von Lafontaine – zum ehemaligen Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Leo Stefan Schmitt, zum Beispiel, der aus dem Saarland stammt und im Sommer 2007 die SPD verließ und bei den Linken eintrat.

Wechseln will Nolle aber nicht. All jenen, die ihn in diesen Tagen danach fragen, sagt er dasselbe: „Ich bin und bleibe Sozialdemokrat“, wer anderes behaupte, verbreite „dümmliche Enten“. Und auch die Linke hat wenig Interesse an einem Mitglied namens Nolle. Fraktionschef André Hahn sagt, ihm sei es „lieber, es gibt noch ein paar echte Linke in der SPD“. Im Klartext: Nolle solle besser dort bleiben, wo er ist. Schließlich braucht Hahn SPD-Leute, die sein Lieblingsprojekt – Rot-Rot in Sachsen – unterstützen.

Doch mit oder ohne Nolle, nach Lage der Dinge wird es dazu kaum kommen. Grund: Laut aktuellen Meinungsumfragen gibt es keine Mehrheit für ein Bündnis aus SPD und Linken, und selbst zusammen mit den Grünen würde es nicht reichen. Darüber hinaus liegen die PDS-Nachfolger weiter vor der SPD und würden somit den Regierungschef stellen. Eben dies aber hat SPD-Chef Thomas Jurk abgelehnt.
Von JÜRGEN KOCHINKE



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STANDPUNKT von Jürgen Kochinke
Die zwei Seiten des Karl Nolle

Demokratie lebt vom offenen Meinungsaustausch, kontrovers und öffentlich. Jedes Parlament, das mehr sein will als ein Schonraum für Abnicker, braucht Querdenker und Leute mit Prinzipien. Das ist die eine, die richtige Seite des SPD-Manns Nolle: Er nimmt kein Blatt vor den Mund, kritisiert, und je mächtiger jene sind, die er aufs Korn nehmen kann, umso besser. Dass er damit immer wieder aneckt, kann nicht verwundern, denn es liegt in der Natur der Sache.

Doch es gibt auch eine zweite, problematische Seite am Wirken des Karl Nolle. Er liebt die öffentliche Inszenierung, die Demontage des politischen Gegners als Ritual. Je größer das Blitzlichtgewitter ist, in dem er steht, umso schöner. Eben deshalb ist er stets in Gefahr, übers Ziel hinauszuschießen. Das macht ihn nicht nur zum roten Tuch für all jene, die noch nicht angekommen sind in der Demokratie, sondern auch angreifbar. „Wer keinen Charakter hat“, hat der Literaturnobelpreisträger Albert Camus mal gesagt, „muss sich wohl oder übel eine Methode zulegen.“ Nolles Hang zum Eigensinn zeugt durchaus von Charakter – solange es nicht zur Methode verkommt.
j.kochinke@lvz.de