Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 10:40 Uhr, 14.03.2009

Vor 50 Jahren: SPD stellt ihren «Deutschlandplan» zur Wiedervereinigung vor

Eine kurze Zeit der Hoffnung
 
Berlin (ddp). Fast zehn Jahre nach der Gründung der beiden deutschen Staaten keimte bei vielen Deutschen neue Hoffnung auf eine baldige Wiedervereinigung: Der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer stellte am 19. März 1959 auf einer Pressekonferenz in Bonn den am Vortage beschlossenen «Deutschlandplan» seiner Partei vor. Die Bundesrepublik wie die DDR sollten aus ihren Militärbündnissen - NATO beziehungsweise Warschauer Pakt - ausscheiden und dann etappenweise die deutsche Einheit wieder herstellen.

«Die zugespitzte West-Ost-Situation», so betonte die SPD, «lässt die Entspannung in Europa nur noch zu, wenn man sich zu einer schritt- und stufenweisen Regelung der militärischen und politischen Fragen entschließt.» Deshalb sollte auf der Grundlage einer entmilitarisierten und atomwaffenfreien «Entspannungszone», der auch Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn angehören müssten, eine politische und wirtschaftliche Annäherung der beiden deutschen Staaten in Stufen vor sich gehen: Einberufung einer gesamtdeutschen Konferenz mit Regierungsvertretern beider Staaten, Bildung eines je zur Hälfte in der BRD und in der DDR gewählten Parlamentarischen Rates, Wahl einer verfassunggebenden Nationalversammlung und schließlich Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten.

In der von Konrad Adenauer (CDU) geführten Bundesregierung stieß die Initiative der oppositionellen Sozialdemokraten auf wenig Gegenliebe. Der «Deutschlandplan», so die offizielle Stellungnahme, sei schon deshalb nicht diskutabel, weil er von einer «gleichberechtigten Anerkennung» der für Bonn nicht existierenden ostdeutschen Regierung ausgehe. Außerdem sehe die Bundesregierung im Vorgehen der SPD angesichts der «wirklichen Ziele Moskaus» eine «entscheidende Gefährdung der demokratischen Entwicklung eines zukünftigen Gesamt-Deutschlands». Ein Ausscheiden der Bundesrepublik aus der NATO, so damals generell die Meinung Adenauers, «würde die NATO als Bollwerk gegen eine russische Aggression unterhöhlen».

Lediglich Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier (CDU) betätigte sich als einsamer Rufer in der Wüste: Die starren deutschlandpolitischen Positionen Bonns könnten durchaus gelockert werden, meinte er. Ein Ausscheiden der Bundesrepublik aus der NATO halte er für vertretbar, wenn damit ein entscheidender Schritt zur Wiedervereinigung Deutschlands verbunden wäre.

Als das Zentralkomitee der ostdeutschen SED in einem Schreiben an die SPD-Führung den «Deutschlandplan» begrüßte und gemeinsame deutschlandpolitische Beratungen vorschlug, beschloss das Präsidium der SPD, den Brief nicht zu beantworten. Nachdem im August 1959 in Genf eine Außenministerkonferenz der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der Sowjetunion - die beiden deutschen Außenminister durften an einem Nebentisch zuhören - an unüberbrückbaren Auffassungen über die deutsche Frage gescheitert war, schlug ohnedies die Todesstunde für den Deutschlandplan. Er wurde Ende Juni 1960 endgültig zu den Akten gelegt. In einer großen Rede im Bundestag bekräftigte der SPD-Vizevorsitzende Herbert Wehner: Auch die SPD bekenne sich fortan rückhaltlos zum NATO-Bündnis.

Der «Deutschlandplan» «handelte von nicht eigentlich Falschem und lag doch neben der Wirklichkeit», schrieb der spätere sozialdemokratische Bundeskanzler Willy Brandt. Er ebnete Jahre danach mit einer neuen Ostpolitik, die mit den - so Brandt - «Bonner Sterilitäten» radikal brach und die offizielle Anerkennung der DDR einschloss, den Weg zur Aufweichung der Blockkonfrontation. Er trug damit wohl entscheidend zur - wenn auch späten - deutschen Wiedervereinigung bei.

Von ddp-Korrespondent Karl-Heinz Gräfe
ddp/khg/stu
141040 Mrz 09