Karl Nolle, MdL

DIE WELT, 16.03.2009

Sachsens CDU meint Tillich und trifft Horst Köhler

Warum die Abstimmung für Köhler missglückte
 
Berlin - Die Sachsen beschreiben sich selbst als „helle. heeflisch und heemdiggsch" auf gut Deutsch: als pfiffig, höflich und heimtückisch. Der letztere Charakterzug macht der sächsischen Union derzeit schwer zu schaffen. Ihre Abgeordneten haben im Landtag zum wiederholten Mal maximale Heimtücke walten lassen: Sie nutzten eine geheime Abstimmung dazu, die Parteispitze und Fraktionsführung bundesweit bloßzustellen.

Gleich neun von 55 CDU-Parlamentariern erweigerten am vergangenen Mittwoch der eigenen Liste mit Wahlleuten für die Bundesversammlung die Zustimmung. Statt auf 16 kann Bundespräsident Horst Köhler deshalb nun nur auf 14 Stimmen aus Sachsen hoffen. Damit sind die Chancen seiner Herausforderin Gesine Schwan gestiegen.

Die Abstimmungspanne hat die sächsische Union, die im August eine Landtagswahl bestehen muss, in einen Schockzustand versetzt. Ein „völlig irrationales Verhalten" beklagt ein namhaftes Fraktionsmitglied, das nicht genannt werden will. Die Heckenschützen hätten ihrem Unmut über die CDU-Spitze Ausdruck verleihen wollen - „und dabei musste ausgerechnet der Bundespräsident als Blitzableiter herhalten". Der Christdemokrat befürchtet, dass sich nach diesem Desaster „der Niedergang der CDU in Sachsen beschleunigen" könnte.

Fassungslos zeigte sich auch der Abgeordnete Thomas Colditz aus den, CDU-Kreisverband Erzgebirge. Er sagte: „Das Schlimmste ist, dass man nicht weiß, wer's war. Alle lächeln einen nur an, keiner geht offen damit um. Das sät Misstrauen" Schon einmal hatte sich die CDU-Fraktion über die Grenzen des Freistaats hinaus blamiert. Im November 2004 fiel der damalige Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) bei seiner Wiederwahl im ersten Durchgang völlig unerwartet durch. Er bekam nur 62 von 68 möglichen Stimmen der schwarz-roten Koalition. Zugleich erhielt der NPD-Kandidat zwei Stimmen mehr, als die NPD Abgeordnete hatte.

Aktuell sorgt die Aufstellung der Kandidaten für die bevorstehende Landtagswahl für Verdruss. Fast die Hälfte der 55 Abgeordneten wurde nicht erneut nominiert. Rund 25 der 60 Direktkandidaten sind Mitglieder der Jungen Union. Diese "Jungtürken", klagen verdiente Parteimitglieder, würden skrupellos nach der Macht greifen. Solche Befürchtungen haben durch ein Geheimtreffen vor zwei Wochen Auftrieb erhalten.

In Geising, einem Urlaubsort im Osterzgebirge, trafen sich die jugendlichen Hoffnungsträger zu einer Klausurtagung. Neben Biedenkopf und Milbradt nahm auch der amtierende Regierungschef Stanislaw Tillich teil, Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer hat das Treffen eingeräumt. Von einer Klüngelrunde, bei der schon vorab Posten in der künftigen Regierung und Fraktion verteilt worden seien, will er jedoch nichts wissen: „Das ist absoluter Unsinn."

Kretschmer führt die Panne im Landtag darauf zurück, dass CDU-Abgeordnete „nicht richtig aufgepasst" hätten. Für den CDU-Funktionär, der im Bundestag sitzt, wäre es allerdings „wirklich schlimm", wenn Köhler deshalb im Mai nicht erneut zum Bundespräsidenten gewählt würde. Kretschmer fürchtet: „Dann wird man mit den Fingern auf Sachsen zeigen. Nicht zuletzt müssten die Christdemokraten in diesem Fall mit einer schweren Hypothek in die Landtagswahl ziehen. Und der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle spekuliert: „Es ist fraglich, ob Ministerpräsident Tillich derzeit bei einer geheimen Wahl noch eine Mehrheit hätte."
Von Uwe Müller