Karl Nolle, MdL

www.rechnungshof.sachsen.de, 17.03.2009

Pressemitteilung zum Sonderbericht nach § 99 SäHO zur Landesbank Sachsen Girozentrale

 
Der Sächsische Rechnungshof hat am heutigen Tag der Sächsischen Staatsregierung und dem Sächsischen Landtag den Sonderbericht nach § 99 SäHO zur Landesbank Sachsen Girozent-rale (SLB) übergeben.

Der Sächsische Rechnungshof hat nach dem Notverkauf der SLB versucht nachzuvollziehen, wie bei der SLB die „finanzielle Schieflage“ entstand, die von der Bank allein nicht bewältigt werden konnte. Die Berichterstattung zu den Vorgängen, soweit sie dem Sächsischen Rech-nungshof zugänglich waren, ist angesichts der Vermögensverluste, die eingetreten sind und ggf. noch eintreten werden, notwendig. Nur wenn die Ursachen offen gelegt werden, können Fehler für die Zukunft vermieden werden. Der Sächsische Rechnungshof hat sich darum bemüht, den Umfang des Schadens für das Land und die aus seiner Sicht Verantwortlichen zu ermitteln. Weiterhin untersuchte er, ob der Freistaat Sachsen umfassend prüfen lässt, welche Ansprüche auf Schadenersatz er geltend machen kann.

Der Sächsischen Rechnungshof ist mit dem Sonderbericht zu folgenden wesentlichen Ergebnissen gekommen:

Der Verkauf der SLB an die Landesbank Baden-Württemberg und die Übernahme der Garan-tie in Höhe von 2,75 Mrd. € hat die Insolvenz der SLB vermieden. Die Lösung war vertretbar, da sie den Freistaat Sachsen vor größerem Schaden bewahrte. Bisher ist den Anteilseignern ein Schaden von mindestens rd. 364 Mio. € entstanden, der sich durch eine Inanspruchnahme aus der Garantie erhöht.

Die SLB wurde zu einer Kapitalmarktbank umgebaut, obwohl sie sich vorrangig auf die Ver-folgung eines wichtigen staatlichen Interesses hätte beschränken müssen. Der Anteil der Ka-pitalmarktaktivitäten der SLB-Gruppe am Betriebsergebnis betrug in den Jahren 2002 bis 2006 im Durchschnitt 82 %. Der öffentliche Auftrag und damit der Heimatmarkt standen nicht mehr im Vordergrund.
Zur Abwicklung der Kapitalmarktgeschäfte erweiterte der Vorstand der SLB die unbegrenzte Haftung des Freistaates durch eine so genannte harte Patronatserklärung auf die Tochtergesellschaft Sachsen LB Europe plc, Dublin. Dem Vorstand fehlte dafür eine Ermächtigung.

Die Tochtergesellschaft dehnte die Staatshaftung mit einem so genannten Valuation Agree-ment auf Verluste der Zweckgesellschaft Ormond Quay Funding plc aus. Der Kreditausschuss der SLB ermöglichte die Ausdehnung der Geschäfte bis zur Höhe von 43 Mrd. €. Damit war ein Gefährdungspotenzial von nahezu dem Dreifachen des Staatshaushaltes vorhanden.

Das Geschäft mit den Verbriefungsprodukten wurde vor allem kurzfristig refinanziert. Die Größenordnung der sich daraus ergebenden Marktpreis- und Liquiditätsrisiken stand in kei-nem Verhältnis mehr zur Größe der SLB. So stand dem Volumen der Kapitalmarktgeschäfte Ende 2006 mit rd. 41 Mrd. € nur ein Kernkapital der SLB von rd. 1,4 Mrd. € gegenüber. Das führte bereits mit ersten Marktstörungen im Sommer 2007 zum Ende der Bank.

Führungskräfte der SLB versäumten es, die Risiken aus den Valuation Agreements des Ormond Quay Funding plc ordnungsgemäß in die Risikoberichterstattung aufzunehmen. An-zeichen für aufkommende Marktstörungen beachteten die Verantwortlichen ungenügend. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hatte bereits 2005 darauf hingewiesen, dass dieses Geschäftsmodell nur ohne Marktstörungen funktioniere. Trotzdem wurden die Ge-schäfte immer schneller ausgeweitet. Allein im 1. Halbjahr des Jahres 2007 wurden noch 3,4 Mrd. € investiert.

Der Verwaltungsrat ist seiner Pflicht zur Selbstinformation über Lage und Entwicklung der SLB-Gruppe nicht ausreichend nachgekommen. Existenzbedrohende Geschäfte wie das Va-luation Agreement für Ormond Quay Funding plc erkannte er nicht und hat die Entscheidun-gen des Kreditausschusses nicht verhindert. Er hat bei seiner Aufgabe versagt.

Der Kreditausschuss ignorierte die aus dem steigenden Volumen resultierende Gefahr für die Bank. Unterlagen, die eine regelmäßige Überprüfung der Tragfähigkeit der verfolgten Strate-gie belegen, lagen nicht vor. Eine Darlegung des Verhältnisses von Ertrag und Risiko wurde nicht eingefordert. Diese Versäumnisse begründen einen Verstoß gegen die bestehenden

Sorgfaltspflichten. Der Sächsische Rechnungshof begrüßt, dass das Sächsische Staatsministe-rium der Finanzen die Haftung der Organmitglieder (Kreditausschuss, Verwaltungsrat) prüfen lässt.

Die Vorstände der SLB haben durch die ständige Ausweitung der Kapitalmarktgeschäfte die SLB in eine zunehmende Schieflage geführt und damit ihre Sorgfaltspflichten verletzt. Ihre zivilrechtliche Inanspruchnahme für eine Haftung wird derzeit geprüft. Nach Kenntnis des Sächsischen Rechnungshofs ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Leipzig.

Das Risiko wurde in den Jahresabschlüssen nicht dargestellt. Der Abschlussprüfer problema-tisierte die Haftungslage der Bank nicht. Das Sächsische Staatsministerium der Finanzen lässt Haftungsansprüche prüfen.
Das Sächsische Staatsministerium der Finanzen hat es als Rechtsaufsicht versäumt, die beste-henden Beschränkungen für die Haftung bei der Beteiligung von Tochtergesellschaften auch für die Zweckgesellschaften anzumahnen. Damit wäre ein Valuation Agreement ohne Zu-stimmung der Rechtsaufsichtsbehörde nicht möglich gewesen.

Die Kontrolle der Aufgabenerfüllung und die Bewahrung der Vermögenswerte staatlicher Unternehmen ist Aufgabe der Beteiligungsverwaltung beim Sächsischen Staatsministerium der Finanzen. Die Beteiligungsverwaltung wusste, dass beim Ormond Quay Funding plc jegliches Risiko eines Werteverfalls letztlich über die Gewährträgerhaftung beim Freistaat Sachsen lag. Sie hätte die Größenordnung der außerbilanziellen Kapitalmarktgeschäfte angesichts des bekannten realisierten und geplanten Volumens des Ormond Quay Funding plc problematisieren müssen. Der Sächsische Rechnungshof folgt nicht der Argumentation des Sächsi-schen Staatsministeriums der Finanzen, dass es keine Einwirkungsmöglichkeiten auf die SLB gehabt hätte.

Die Finanzkrise ist nicht die Ursache der enormen Schäden, sondern die Folge des unprofes-sionellen und sorglosen Handelns vieler Akteure am Finanzmarkt. Der Hinweis des Sächsi-schen Staatsministeriums der Finanzen auf die weltweite Finanzkrise entlastet die jeweiligen Akteure nicht. Sie hatten die Verantwortung für die SLB und damit für Vermögen des Freistaates Sachsen.

Sonderbericht des Rechnungshofs