Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 30.03.2009

Linkspartei beansprucht Anteil an friedlicher Wende

 
Thesenpapier zum Herbst 1989 löst Häme und internen Protest aus. Auch die sächsischen Linken reklamieren für sich einen Anteil an der friedlichen Revolution. Im 20. Jahr nach dem Ende der DDR haben sie zo Thesen aufgestellt Der Umbruch von 1989/90 gehöre nicht irgendeiner Partei, sondern dem ganzen deutschen Volk, heißt es darin.

Dresden. Plakate voller Häme von so Demonstranten aus den Lagern der Jungen Union und der Jungen Liberalen bildeten das Spalier, das linke Aktivisten am Samstag vor ihrer Konferenz „Der Herbst 1989 in Sachsen — Wir sind das Volk" durchlaufen mussten.

Der frühe Vorstoß der Thesen-Schreiber dient der Prävention: „Die bürgerlichen Parteien schicken sich an, im Wahljahr 2009 die Ereignisse des Jahres 1989 gegen die Linke zu instrumentalisieren", heißt es in dem Papier einleitend. Doch dieser Versuch werde nicht gelingen. Die Menschen in Sachsen hätten entscheidend zum Aufbau der DDR beigetragen, „und sie haben nach 4o Jahren diesem Regime durch ihre Proteste ein verdientes Ende bereitet", lautet die Fortsetzung.

"Natürlich haben wir die Wende nicht angestoßen", räumt Cornelia Ernst, die scheidende Landeschefin der Linken, den Widerspruch ein. ,,Doch wir dürfen nicht ausbiixen und müssen uns dem Thema stellen", rechtfertigt sie den Spagat zwischen Stolz auf DDR-Wurzeln und Eingeständnis von „Zwang, Angst, Hilflosigkeit und Unterdrückung" —Dinge, die viele Bürger erlebt hätten. Denn die DDR sei wie andere Ostblock-Staaten eine Diktatur gewesen, stellen die Autoren des Papiers ungeschminkt fest Mit Hilfe mächtiger Geheimdienste hätten die Staatsparteien eine „zunehmende Durchherrschung der Gesellschaft" forciert.

Als ,,Pamphlet und Machwerk" waren die Thesen bereits in wütenden Protesten enttäuschter Mitglieder verurteilt worden. „Die Linkspartei verkommt damit zu einer Stütze des imperialistischen Systems der BRD, oder will gar eine bessere SPD sein?" heißt es in einem offenen Brief. Der Beifall, den Diskussionsbeiträge auslösten, machte die Spaltung der Partei deutlich. Er schwankte zwischen Sympathie für „Wir dürfen uns die DDR nicht kaputt reden lassen" und ,,Ihr habt euren Absturz in die Bedeutungslosigkeit nicht verkraftet".

Zwei Westdeutsche ohne Linkspartei-Buch assistierten den schwankenden Genossen bei der Orientierungssuche. Gerhard Besier, Ex-Chef des Hannah-Arendt-Instituts, bezeichnete die Fähigkeit zu vergessen als ein Recht und Voraussetzung für einen Neuanfang. Karl Nolle, linkslastiges Schwergewicht der SPD und Autor eines angekündigten Werkes über CDU-Blockflöten, baute nur auf seine Wirkung. Die erzielte er als Zuhörer in Reihe neben Parteichefin Ernst sitzend. Am Vortag hatte sein Generalsekretär Dirk Panter die Linke der Lüge bezichtigt, wenn sie sich als Sachwalter der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung darstellen wolle.
VON HUBERT KEMPER