Karl Nolle, MdL

welt-online.de, 24.04.2009

Betrugsvorwurf: Hassfigur der Sachsen-CDU im Visier der Justiz

„Jetzt haben wir den Nolle endlich.“
 
Für Sachsens Christdemokraten ist Karl Nolle ein rotes Tuch. Der Dresdner SPD-Landtagsabgeordnete, der am Sturz von Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt beteiligt war, will ein Buch über Verstrickungen von CDU-Größen mit dem SED-Regime herausgegeben. Jetzt nimmt ihn die Justiz ins Fadenkreuz.


foto ddp
Der sächsische SPD - Landtagsabgeordnete Karl Nolle in seinem
Bürgerbüro in Dresden vor dem Gemälde "Gedanken zum Roten Platz"
von Christoph Rust



Die SMS erreichte Karl Nolle tief in der Nacht um 22.54 Uhr. Ein Redakteur der Chemnitzer „Freien Presse“ teilte dem „Lieben Karl“ mit, er werde über ihn berichten. Die Chance für eine Stellungnahme bestand nicht mehr, am nächsten Morgen stand im Blatt: „Ermittlungen gegen Nolle wegen Betrugs – SPD-‚Aufklärer’ unter Verdacht“.

Die Meldung schlug in Sachsen wie eine Bombe ein. In dem ostdeutschen Freistaat ist der SPD-Landtagsabgeordnete Nolle, 64, bekannt wie ein bunter Hund. Die Christdemokraten fürchten den Zweizentner-Mann. Er war an der politischen Demontage der Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt beteiligt, die schließlich zurücktreten mussten. In Kürze erscheint sein Buch „Sonate für Blockflöten und Schalmeien“, in dem die Verstrickungen sächsischer CDU-Größen mit dem SED-Regime untersucht werden. Ein Kapitel darin ist dem amtierenden Regierungschef Stanislaw Tillich gewidmet.

Doch jetzt ist der moralische Ankläger ein Fall für die Anklagebehörde. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat gegen Nolle ein „Ermittlungsverfahren wegen Subventionsbetrugs gem. § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB eingeleitet“, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Der SPD-Politiker, der nach der Wende von Hannover nach Dresden übersiedelte und dort eine Druckerei kaufte, soll von 2005 bis 2007 bei der Beantragung der Investitionszulage unzutreffende Angaben gemacht haben. Deshalb haben die Ermittlungsbehörden beim Landtagspräsidenten einen Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten gestellt.

Karl Nolle und die Untiefen der sächsischen Politik

Nolle bestreitet den Betrugsvorwurf. Das Finanzamt habe zwar einige Rechnungen, die er eingereicht habe, nicht anerkannt. Das aber sei ganz normal. Nach der üblichen Prüfung sei die Investitionszulage niedriger ausgefallen als beantragt. In einem Schreiben der Staatsanwaltschaft ist von „unzutreffend beantragter Investitionszulage“ in Höhe von 39.885,02 Euro die Rede. Ferner habe der Beschuldigte Förderung für eine 2005 angeschaffte Bogenoffsetdruckmaschine erhalten, obwohl diese vermutlich erst im Folgejahr betriebsbereit gewesen sei.

Nolles Anwälte erstaunt, dass ihr Mandant nie zu diesen Vorgängen befragt wurde. Sie haben der Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich ihre Unterstützung angeboten, damit die Vorwürfe rasch aufgeklärt werden können.

Nolle sagt, er habe erst am Tag vor der Veröffentlichung in der „Freien Presse“ von dem Verdacht erfahren – aus einem Brief der Staatsanwaltschaft, der keine Unterschrift trug. Nicht nur das ist merkwürdig. Nolle: „Wie mir berichtet worden ist, soll die Geschichte mit dem Subventionsbetrug schon vor Wochen mehreren Journalisten angeboten worden sein.“ Und zwar aus CDU-Kreisen der Staatsregierung, die erklärt hätten: „Jetzt haben wir den Nolle endlich.“

Die Staatsanwaltschaft weist alle Gerüchte, sie habe vorab einzelne Medien über die beabsichtigte Einleitung eines Ermittlungsverfahrens unterrichtet, empört zurück: „Diese eindeutige Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Abgeordneten haben andere zu verantworten.“

Nolle nervt die Affäre, in der er nicht in der Rolle des Aufklärers, sondern der eines potenziell Beschuldigten auftritt. In Sachsen wird am 30. August ein neuer Landtag gewählt. Der SPD-Mann kandiert auf Platz 14 der SPD-Landesliste und hat damit beste Aussichten, seinen Sitz im Parlament zu verteidigen. Doch in der nächsten Legislatur wird der die Christdemokraten nur dann glaubwürdig attackieren können, wenn die Staatsanwälte das lästige Ermittlungsverfahren niedergeschlagen und keine Anklage erheben.

Von Uwe Müller 24. April 2009, 16:25 Uhr