Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland ND, 28.04.2009

Chefaufklärer wittert eine Intrige

Sächsischer SPD-Mann Karl Nolle weist Betrugsverdacht zurück und geißelt Verfahren
 
Karl Nolle, »Chefaufklärer« im sächsischen Landtag, ist ins Visier der Justiz geraten. Die angekündigte Ermittlung gegen den SPD-Mann wegen Subventionsbetrugs haben nach dessen Ansicht aber »politischen Charakter«.

Ist ein unberechtigter und deshalb abgelehnter Antrag auf Subventionen schon Betrug? Um diese reichlich verzwickte juristische Frage dreht sich ein angekündigtes Ermittlungsverfahren gegen Karl Nolle, den Geschäftsführer der Druckhaus Dresden GmbH. Ist die Steuerfahndung womöglich aktiv geworden, weil der SPD-Abgeordnete Nolle als »Chefaufklärer« im Landtag wiederholt CDU-Ministerpräsidenten in die Bredouille gebracht hat und rechtzeitig zum anlaufenden Wahlkampf ein Buch über die Blockflötenvergangenheit der CDU publizieren will? Die Frage drängt sich angesichts von Zeitpunkt und Art erster Veröffentlichungen auf.

Nolle selbst geht von einer Intrige aus. Das Ermittlungsverfahren, für dessen Einleitung Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) die Immunität des Abgeordneten aufgehoben hat, habe einen »politischen Charakter«, sagte Nolle gestern. Er halte es für wahrscheinlich, dass die Steuerfahndung »auf Hinweis von oben« bereits archivierte Anträge auf Subvetionen erneut geprüft habe. Sein angekündigtes Buch »scheint ein Übriges zu tun«, fügte er hinzu.

Nolle wird angelastet, in den Jahren 2005 bis 2007 staatliche Beihilfen zu Unrecht beantragt zu haben. Es geht um Investitionen in Druckmaschinen, Betriebsgebäude und Software. Die strittigen Posten – für 2006 gut 34 000 Euro, im Jahr danach 5433,40 Euro – wurden von der Behörde abgelehnt. Es sei »kein Cent an Rückforderungen erhoben worden«, sagt Nolle. Sein Rechtsanwalt Peter Hollstein erläutert zwar, dass unter bestimmten Umständen bereits ein falscher Antrag strafbar sei. Die Staatsanwaltschaft Dresden formuliert vorsichtig: »Sie könnten sich daher wegen Subventionsbetrug in drei Fällen strafbar gemacht haben.« Die Angelegenheit stehe aber »juristisch auf schwachen Füßen«, sagt Nolle: Werde ein derart strenger Maßstab angelegt, »könnten sie beinahe jeden Unternehmer in Sachsen einsperren«.

Kritik übt Nolle nicht nur am überzogenen Vorgehen der Staatsanwaltschaft, deren Vorwürfe »mit einem einzigen Anruf« hätten aus der Welt geschafft werden können, sondern auch an der Veröffentlichung und dem Verfahren, das zur Aufhebung der Immunität führte. Ein erster Pressebericht erschien am vergangenen Mittwoch. Zu diesem Zeitpunkt hatte Iltgen nur ein unsigniertes Schreiben der Staatsanwaltschaft erreicht; Nolle wurde durch eine Information des Journalisten auf den Vorgang aufmerksam. Die brisante Information sei offenbar »gezielt an die Öffentlichkeit gegeben« worden, sagt Stefan Strewe, Anwalt für Medienrecht, der darin eine »gravierende Verletzung der Rechte« Nolles sieht. Dass die Immunität des Abgeordneten dennoch aufgehoben worden sei, nannte er eine »fatale Fehlentscheidung« von Landtagspräsident Iltgen. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz sei eingeschaltet worden.

Unklar ist noch, wie die Information an die Presse gelangte und also die »Quelle der gezielten Indiskretion« zu suchen sei, wie Strewe formuliert. Christian Avenarius, Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, versicherte bereits, seine Behörde sei für das Leck nicht verantwortlich. Nolle verwies derweil gestern auf Presseberichte, denen zufolge Mitarbeiter der Staatsregierung gegenüber Medienvertretern bereits vor Wochen eine Aktion gegen ihn angekündigt hätten.

In der Landespolitik sorgen die Vorwürfe für Wirbel. Nach Ansicht von Klaus Bartl, Rechtspolitiker der LINKEN, geht es »in erster Linie darum, einen anerkannten Kritiker der Ermittlungstätigkeit von Teilen der sächsischen Staatsanwaltschaften beim Umgang mit politischen Verantwortungsträgern mit einem ehrabschneidenden Verdacht in Verbindung zu bringen«. Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau erklärte, sie halte es »nicht für einen Zufall«, dass gerade jetzt gegen Nolle vorgegangen werde. Dagegen kommen von der CDU bereits Rücktrittsforderungen gegen den äußerst unbequemen SPD-Mann – wenn auch bislang nur von dem erzgebirgischen Hinterbänkler Alexander Krauß.

Aus Sicht des derart Angegriffenen haben die Vorfälle die Frontlinien nur noch verschärft. Er sei schon bislang »ein inniger Freund der CDU« gewesen, sagt Nolle sarkastisch; sie habe nun einen »noch herzlicheren Freund« gewonnen. Hoffnungen, die Kampagne werde die Publikation seines Blockflöten-Buches verhindern, müsse sich niemand hingeben: »Und wenn ich auf dem Zahnfleisch krieche«, sagte Nolle: »Dieses Buch wird erscheinen.«
Von Hendrik Lasch, Dresden