Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 04.05.2009
„Was die SPD kann, können wir schon lange“
Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow will ab Herbst mit der CDU regieren. Vorab stellt er jetzt für ein neues Bündnis auch Bedingungen.
Herr Zastrow, aktuelle Wahlumfragen bescheinigen CDU und FDP eine klare Regierungsmehrheit. Verhandeln Sie bereits mit der CDU?
Nein. Aber unser Verhältnis zur CDU hat sich spürbar verbessert, seit dort Stanislaw Tillich und Steffen Flath das Sagen haben. Der Umgang mit uns ist herzlicher, offener und unkomplizierter als zu Zeiten von Georg Milbradt. Eine Zusammenarbeit nach der Wahl ist sinnvoll, weil dann die soziale Marktwirtschaft in Sachsen wieder mehr Chancen bekommt und drohende sozialistische Experimente verhindert werden.
Als möglicher Juniorpartner am Kabinettstisch wollen Sie natürlich agieren. Welche politische Forderungen müsste die CDU künftig akzeptieren?
Es müsste klarer regiert und marktwirtschaftlicher entschieden werden. So ein „Wischi-Waschi“ wie im Fall des von der Insolvenz bedrohten Unternehmens Qimonda würde es mit uns nicht geben. Dafür würden wir aber auch nie versuchen, den anderen Regierungspartner permanent in die Pfanne zu hauen, wie es zwischen CDU und SPD heute ständig der Fall ist. Inhaltlich würden wir auf die stärkere Förderung unserer kleinen und mittelständischen Unternehmen und konsequente Entbürokratisierung, auf mehr Investitionen in Bildung und Forschung, eine Stärkung der Versorgung mit niedergelassenen Ärzten, ein längeres gemeinsames Lernen in der Schule und auch auf mehr, bessere und flexiblere Kita-Plätze drängen.
Anders herum heißt das, die FDP hofft, in einer Koalitionsregierung künftig das Wirtschafts- und das Kultusministerium zu besetzen?
Abwarten. Auf jeden Fall interessieren uns die Themenbereiche Soziales, Wissenschaft und Forschung und die Innenpolitik ganz stark.
Die CDU könnte nach der Wahl zwei Optionen haben. Unterbieten sich FDP und SPD dann gegenseitig im Kampf um die Gunst der Christdemokraten?
So billig, wie sich die SPD verkauft hat, wird uns die CDU niemals bekommen. Die Sozialdemokraten sind nur durch einen historischen Zufall in die Regierung gekommen. Für uns sind ein paar Ministerämter und Dienstwagen, mit denen die CDU winkt, überhaupt nicht ausschlaggebend, ob wir in eine Koalition gehen oder nicht. Das ist ein großer Vorteil meiner Partei: Wir sind als Politiker, die alle noch im Berufsleben stehen, unabhängig.
Die FDP hat in ganz Sachsen nur 2500 Mitglieder. Haben Sie überhaupt genügend Fachpersonal zur Übernahme der Regierungsgeschäfte?
Was die sächsische SPD konnte, als sie 2004 von der Opposition in die Regierung wechselte, können wir schon lange. Aber wir ziehen unsere personelle Kraft nicht nur aus der Partei. Zudem haben wir eine ganz andere kommunalpolitische Verankerung als die SPD: So stellen wir heute landesweit bereits 29 Bürgermeister – mehr als SPD, Linkspartei und Grüne zusammen. Ich bin in dem Punkt ganz gelassen.
Sie halten sich im vollen Umfang für regierungsfähig?
Ich glaube, es war 2004 eine günstige Fügung, als sich spät am Wahlabend herausstellte, dass es doch nicht für eine CDU-FDP-Koalition reicht. Immerhin waren wir zuvor zehn Jahre nicht im Landtag vertreten. Auf der Oppositionsbank haben wir dann aber schnell Politik gelernt. Wir wissen zwar noch nicht, was alles auf uns zukommt – aber regierungsfähig sind wir auf jeden Fall.
Herr Zastrow, Sie sind 40 Jahre alt und bereits Fraktions- und Parteichef der FDP. Bei einer Koalition mit der CDU bald auch Minister und stellvertretender Regierungschef?
Mein privates Schicksal ist bei dieser Sache völlig egal. Dass wir bei aktuellen Umfragen aber erst bei neun Prozent liegen, ist noch nicht zufriedenstellend. Ich bin fest überzeugt, am Wahltag erreichen wir mindestens zwölf Prozent.
Das Gespräch führte Gunnar Saft