Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 05.05.2009

Strafanzeige gegen unbeliebt

Neue Affären erschüttern die sächsische Justiz
 
Dresden — Das sächsische Justizministerium gerät zunehmend unter Druck. Nachdem Minister Geert Mackenroth (CDU) vergangene Woche im Zusammenhang mit der Fahndung nach einer Klobrille Schlagzeilen machte, steht nun auch seine Staatssekretärin Gabriele Hauser im Verdacht, private mit dienstlichen Interessen vermischt zu haben. Hauser zeigte ihre Miteigentümer in einer Dresdner Wohnanlage, die sie bewohnt, wegen angeblichen Subventionsbetrugs an. Überdies sorgt die Suche nach einem unbekannten Zuträger im Justizbereich für Ärger, der unerlaubterweise Einzelheiten über ein Ermittlungsverfahren gegen den sächsischen SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle an Pressevertreter weitergegeben hat.

Nolle gilt in Sachsen als unbequemer Politiker. Mehrfach wirkte der Druckereibesitzer daran mit, dass Mitglieder der Landesregierung ihren Hut nehmen mussten. Auch über den amtierenden Ministerpräsidenten in Sachsen, Stanislaw Tillich (CDU), grub der Abgeordnete brisante Informationen aus: Tillich war als Vertreter einer der in der DDR so genannten „Blockflötenparteien", die als Stützen des SED-Regimes wirkten, stellvertretender Vorsitzender im Rat des Kreises Kamenz gewesen und hatte auch eine DDR-Kaderschulung in Potsdam genossen. Tillich habe zur mittleren Führungsschicht der DDR gehört, resümiert Nolle.

Einzelheiten sollen demnächst in einem Buch herauskommen mit dem Titel „Sonate für Blockflöten und Schalmeien". Kurz vor der Veröffentlichung ereilte den SPD-Mann nun ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug, seine Druckerei betreffend. Kaum war der Anfangsverdacht formuliert, schon erhielten Pressevertreter Informationen darüber. Zerknirscht räumte die Staatsanwaltschaft Dresden eine "Verletzung der Persönlichkeitsrechte" Nolles ein, die sie nicht zu verantworten habe. Der Generalstaatsanwalt entschuldigte sich in einem Brief an Nolle und versprach, alles zu tun, „um die Hintergründe des Informationsflusses aufzuklären". Unterdessen muss nun die Staatssekretärin Bim Justizministerium einräumen, die Ermittlungsbehörden mit einer Angelegenheit befasst zu haben, die sie eher privat betroffen hat.

Gabriele Hauser, 53, wohnt in einer Eigentumswohnungsanlage mit Elbblick in Dresden. Der nachbarschaftliche Umgang scheint dort nicht konfliktfrei zu sein. Im Frühjahr 2007 zeigte Hauser ihre Miteigentümer bei den Staatsanwaltschaften in Dresden und Pforzheim an, wie das Ministerium bestätigt. Hauser hegte den Verdacht, ihre Wohnungsnachbarn könnien zu Unrecht Investitionszulagen kassiert haben, weil möglicherweise geltende Fristen bereits abgelaufen waren. Seit beinahe zwei Jahren wird nun ermittelt, bis heute bekamen die Betroffenen keine Akteneinsicht. Natürlich, so wird im Ministerium betont, habe Hauser die Anzeige nicht auf ihrem Dienstpapier verfasst; auch hätten ihre Nachbarn und Miteigentümer nichts von ihrem Posten als Justizstaatssekretärin gewusst. Den Ermittlungsbehörden aber dürfte dies bekannt gewesen sein.

Erst vergangene Woche machte Justizminister Mackenroth mit der sogenannten „Klodeckel-Affäre" Schlagzeilen: Wie die SZ berichtete, hatten der Jurist und seine Frau durch ihre Strafanzeige eine Hausdurchsuchung bei ehemaligen Mietern ausgelöst, bei der unter anderemnach einem Toilettendeckel gefahndet wurde. Überdies hatte der Christdemokrat die Korrespondenz im Streit mit seinen Ex-Mietern großenteils vom offiziellen E-Mail-Account im Ministerium aus geführt, obgleich es laut Hausvereinbarung den Mitarbeitern des Ministeriums verboten ist, ihre Justiz-Mail-Adresse privat zu nutzen.

Zwar erklärte Mackenroth, vom Verbot ausgenommen zu sein, da er formell nicht als „Beschäftigter" gelte. Jetzt kritisiert der Deutsche Beamtenbund (DBB), der Minister solle die Hausgepflogenheiten einhalten: „Mackenroth hat eine Vorbildfunktion für seine Mitarbeiter", sagte DBB-Sprecher Frank Zitka. Für den Sprecher der „Neuen Richtervereinigung" in Sachsen, Rüdiger Söhnen, ist Mackenroths Autorität bereits angeschlagen: „Es wird ihm schwer fallen, in Zukunft einen Kollegen zu rügen, der Ähnliches tut."
Von Christiane Kohl