Karl Nolle, MdL

Medien Info Sachsen Newsletter 28/2009, medien-info@web.de, 08.05.2009

PR-Desaster: Tillich in der Defensive

 
Dresden (mi) – Nach Russland-Reise und Zukunftskongress mit gefälligen Pressebildern (wir berichteten) ist Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) krachend auf den Boden der Realität zurückgekehrt. Das Verwaltungsgericht Dresden verurteilte ihn dazu, dem „Spiegel“ Details aus seiner Personalakte preiszugeben. Konkret geht es um Angaben, die er bei der Einstellung in die sächsische Staatskanzlei zur DDR-Vergangenheit gemacht hat. In den Augen der Öffentlichkeit entsteht nun der Eindruck, es gebe etwas zu verbergen. Dabei kann es nach menschlichem Ermessen nur darum gehen, dass bei der Einstellung in die Staatskanzlei unter dem damaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf falsche Angaben gemacht wurden.

Wie so oft bei solchen Affären geht es mittlerweile nicht mehr um den eigentlichen Vorgang, sondern um das Verhalten bei der Bewältigung. Angebracht wäre gewesen: Akte auf, Augen zu – und durch! Eine bittere Medizin, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksam. Anscheinend hat keiner aus Tillichs medialer Buberl-Riege in Staatskanzlei und Partei das Format oder das Wissen, dies zu vermitteln. Aber gerade jetzt müsste Tillich, bisher eher durch gute Figur auf dem Parkett als durch Kampfgeist im Ring aufgefallen, nachholen, was er längst hätte tun sollen: Sich auf die Hinterbeine stellen und die Öffentlichkeit mit dem Dokument konfrontieren.

Stattdessen fing sich Regierungssprecher Peter Zimmermann bereits 2008 wegen kommunikativer Funkstille den Negativ-Preis „Tonstörung“ der Landespressekonferenz ein. „Das Informationsrecht der Öffentlichkeit ist … von der Sächsischen Staatskanzlei … in mehreren Fällen verletzt worden“, schäumten die Landesjournalisten in ihrer „Laudatio“.

Wobei beharrliche Verschwiegenheit in diesem Fall eine bessere Lösung war, als sie Tillichs Parteizentrale anbot: Weil sein Haupt-Kritiker, der SPD Abgeordnete Karl Nolle, aus Niedersachsen stammt, entfesselte Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretzschmer eine ebenso überflüssige wie riskante Anti-Wessi-Kampagne. Die könnte, sollte sie wieder aufgelegt werden, nach hinten losgehen. Denn die meisten im Freistaat lebenden „Wessis“ dürften (noch) CDU-Stammwähler sein. Demoskopen schätzen das Potenzial auf fünf bis sechs Prozentpunkte. Dagegen dürfte der Pöbel, den Kretzschmer auf diese Tour für die Union mobilisieren will, wohl eher dem Lager der hartleibigen Nichtwähler zuzurechnen sein.

Mit einem dialektischen Salto mortale versuchte der Generalsekretär, Nolle zum Schweigen zu bringen: Wer nicht in der DDR gelebt habe, könne und dürfe das Leben in der DDR nicht beurteilen. Übrigens ein lupenreines SED-Argument des Generalsekretärs, der bei der Wende selbst erst Konfirmand war und schon aus Altersgründen selbst nicht gerade als DDR-Experte gelten kann.

Justitia stürzt den Ministerpräsidenten nun in ein mehrfaches Dilemma – nicht gerechnet die Klodeckel-Eskapaden des zuständigen Ressortchefs im Kabinett: Nimmt Tillich das Urteil an, dann muss er Auskunft geben – und steht als Prozessverlierer da.

Geht er in Berufung, dann schleppt sich der Prozess durch den Landtagswahlkampf. Negativ-Spekulationen überlagern landepolitische Erfolgsmeldungen. Drittens bleibt noch das faule Ei, das ihm die Dresdner Staatsanwaltschaft gelegt hat, indem sie ausgerechnet in der Vorwahlzeit Ermittlungen gegen SPD-Nolle aufnahm. An einen „Zufall“ mag im ganzen Freistaat mittlerweile kein Mensch mehr glauben.