Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 16:06 Uhr, 12.05.2009

Tillich hat 1999 Fragen zu politischer DDR-Vergangenheit verneint -

Nolle wirft Staatskanzlei Täuschung der Öffentlichkeit vor
 
Dresden (ddp-lsc). Im Streit um die Antworten von Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) auf einen Minister-Fragebogen von 1999 zu seiner DDR-Vergangenheit gibt es neue Ungereimtheiten. Staatskanzleichef Johannes Beermann (CDU) erklärte am Dienstag in Dresden, dass Tillich damals Fragen nach politischen Funktionen und Ausbildungen verneint habe. Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle verwies indes auf eine anderslautende Fragestellung als von Beermann dargestellt. Darauf deutet auch ein der Nachrichtenagentur ddp vorliegender Fragebogen für sächsische Minister mit ostdeutscher Herkunft hin.

Beermann hatte mit seiner Erklärung auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom vergangenen Donnerstag reagiert. Darin war der Staatskanzlei in einem Rechtsstreit mit dem «Spiegel» in bestimmten Fragen Auskunftspflicht auferlegt worden. Während der Staatskanzleichef in den von ihm präsentierten Antworten Tillichs kein Problem erkennt, sprach Nolle von Täuschung der Öffentlichkeit.

Die Fragen vom «Spiegel» bezogen sich auf eine Erklärung, die Tillich bei seinem Amtsantritt als Ressortchef für Bundes- und Europaangelegenheiten abgeben hatte. Beermann zufolge hatte Tillich darin verneint, in der DDR «Mandate oder herausgehobene Funktionen in oder für politische Parteien oder Massenorganisationen» der DDR gehabt zu haben, zugleich aber angegeben, dass er ab Mai 1989 Mitglied des Rates des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung gewesen sei.

In dem ddp vorliegenden Fragebogen an Ost-Minister wird indes nicht nach «herausgehobenen Funktionen», sondern nach bloßen «Funktionen» gefragt. Tillich hatte sich zur DDR-Kommunalwahl im Mai 1989 für den Kamenzer Kreistag als CDU-Kandidat der Nationalen Front beworben und war auch gewählt worden - hatte also mithin ein Mandat inne.

Beermann zufolge verneinte Tillich indes auch eine Frage, ob er «eine Parteischule absolviert» habe. Bei der Akademie für Staat und Recht in Potsdam, an der Tillich einen zehnwöchigen Kurs besucht habe, handelte es sich um «keine Parteischule», sondern eine staatliche Einrichtung der DDR, führte Beermann zur Begründung an. In der ddp vorliegenden Version des Fragebogens wird indes Auskunft begehrt, ob der Betreffende «andere als allgemeinbildende» oder berufsausbildende Ausbildungen durchlaufen habe wie «z. B. Parteischulen o. ä.».

Aus Sicht des SPD-Abgeordneten Nolle hätte Tillich demnach den Akademie-Lehrgang angeben müssen. Er sprach nach der Erklärung Beermanns von «gezinkten» Fragen und attestierte Tillich «Taschenspielertricks zur Desinformation, die er auf der SED-Kaderschmiede in Potsdam gelernt hat». Zum «Spiegel»-Fragenkomplex, der sich auf eine mögliche Stasi-Tätigkeit Tillichs bezieht, verwies Beermann auf den Gerichtsbeschluss, wonach hierbei kein Auskunftsanspruch bestehe, da Tillich sich bereits ausführlich dazu erklärt habe. Im Unterschied zur Staatskanzlei prüft der «Spiegel» derzeit noch, ob er Rechtsmittel gegen diesen Teil des Gerichtsbeschlusses einlegt.

Das Gericht hatte die Staatskanzlei dazu verpflichtet, Auskunft über Tillichs «schriftliche(n) Erklärung(en)» zu seinem Lebenslauf in der DDR zu geben, die er «seit dem Jahr 1999 vor den jeweiligen Ernennungen zum Staatsminister und seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten» abgegeben habe. Dabei gehe es um die Fragen nach Tillichs Mandaten oder Funktionen und nach Lehrgängen außerhalb der Allgemein- und Berufsbildung. Falls er sie bejaht und Erläuterungen dazu abgegeben habe, könne deren «wesentlicher Inhalt» vollständig und wahrheitsgemäß zusammengefasst werden, hieß es im Beschluss. Weitere Erklärungen Tillichs, etwa vor Ernennung zum Umweltminister 2004, seien ihm nicht bekannt, sagte Beermann.

(Weitere Quellen: Beermann vor Journalisten in Dresden; «Spiegel» auf Anfrage; Nolle in Mitteilung)

ddp/tmo/muc
121606 Mai 09