Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 13.05.2009

Tillich legt Akte zu DDR-Vergangenheit offen

Der Ministerpräsident sieht sich mit Angaben zu einem Fragebogen dem Vorwurf der Fälschung ausgesetzt
 
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat gestern – wie zuvor vom Dresdner Verwaltungsgericht angeordnet – Auszüge aus einem Personalfragebogen veröffentlicht, den er 1999 anlässlich seiner erstmaligen Berufung zum Staatsminister ausfüllen musste. Ein Schritt, der nun für neuen Wirbel und weitere Fragen sorgt.

So hatte das Magazin „Der Spiegel“ auf Auskunft geklagt, um zu prüfen, ob Tillich in dem Fragebogen wahrheitsgemäße Angaben über seine Funktionen im DDR-Staatssystem gemacht hat. Tillich war für die Ost-CDU seit Mai 1989 stellvertretender Vorsitzender für Handel und Versorgung beim Rat des Kreises Kamenz. Eine Auskunft zu dem Fragebogen hatte die Staatskanzlei bisher abgelehnt. Gestern wurde nun aber mitgeteilt, Tillich habe auf die Frage, ob er vor November 1989 „Mandate oder herausgehobene Funktionen“ in Parteien oder Massenorganisationen oder sonstige herausgehobene Funktionen in der DDR innehatte, mit „Nein“ geantwortet. Er habe in dem Fragebogen jedoch an anderer Stelle auf seinen früheren Posten beim Rat des Kreises verwiesen.

Kreistagsmandat nicht erwähnt

Auch auf die Frage, ob er zu DDR-Zeiten eine Parteischule besucht habe, hätte Tillich in der Erklärung von 1999 mit „Nein“ geantwortet. Laut Staatskanzlei-Chef Johannes Beermann (CDU) sind beide Antworten aus heutiger Sicht korrekt, da es sich bei der Akademie für Staat und Recht in Potsdam, deren Besuch Tillich bereits eingeräumt hat, um keine Parteischule gehandelt habe, sondern um eine staatliche Einrichtung. Keine Auskunft gab die Staatskanzlei dagegen zu Tillichs Antworten auf Fragen nach früheren Stasi-Kontakten. Dazu sei man laut Gerichtsentscheid nicht verpflichtet, hieß es.

Kurz nach dieser Bekanntgabe kam jedoch gestern der Vorwurf auf, die Staatskanzlei habe inkorrekte Angaben gemacht. So wird moniert, dass Tillich früher durchaus ein politisches Mandat innehatte – er war zur Kommunalwahl im Mai 1989 in den Kreistag gewählt worden.

Am Nachmittag veröffentlichte der SPD-Abgeordnete Karl Nolle zudem einen Original-Fragebogen, der 1999 allen neuberufenen Ministern vorgelegt worden sein soll. Darin wird aber nicht nur nach herausgehobenen DDR-Funktionen, sondern allgemein zu Funktionen in der DDR gefragt. Auch die Frage nach Parteischulen ist dort mit dem Zusatz „oder ähnlich“ versehen. In diesem Fall, so der Vorwurf, hätte Tillich angesichts seines Akademie-Besuchs und seines Postens im DDR-Staatsapparat niemals zweimal mit „Nein“ antworten dürfen. Nolle verweist darauf, dass sich auch das Verwaltungsgericht Dresden bei seinem Beschluss auf die deutlich schärferen Frage-Versionen beruft. Die Linkspartei warf Tillich vor, gefälschte Angaben in Umlauf gebracht zu haben, was nach der Praxis im öffentlichen Dienst des Freistaates in der Regel zur fristlosen Entlassung führen müsste.

Die Staatskanzlei wiegelte ab. Die von Nolle veröffentlichte Fragebogen-Version habe Tillich 1999 definitiv nicht vorgelegen, sondern nur jene mit den jetzt veröffentlichten Fragetexten. Deshalb sei alles korrekt und der Ministerpräsident befinde sich mit seinen Angaben auch nicht im Widerspruch zur Anordnung des Verwaltungsgerichts.
Von Gunnar Saft