Karl Nolle, MdL

Medien Info Sachsen * Nr. 30/2009, 21.05.2009

Sachsen-Union will allein regieren

Prügel für Wessis sowie aktuelle und potenzielle Koalitionäre
 
Leipzig – Es nannte sich Parteitag. Es war eine gut inszenierte Show, ein lupenreiner Wahlkampfauftakt der „Sächsischen Union“, wie sich die Landesgruppe der CDU gerne nennt. Die eigentliche Arbeit, die Aufstellung der Listenkandidaten für die Landtagswahl, ist bereits seit Wochen abgehakt. Fehlte noch das Wahlprogramm, „Pakt für Sachsen“ genannt, und erwartungsgemäß in der Leipziger Media City von den Delegierten mit großer Mehrheit besiegelt. Symbolträchtig bereits der Einzug des amtierenden Ministerpräsidenten und Parteichefs Stanislaw Tillich. Mit Sinn für Symbolik hatte die Parteitagsregie für ihn den 80er-Jahre-Hit „The Eye of the Tiger“ (Das Auge des Tigers) ausgewählt. Cineasten und Freunde des Faustkampfes erinnern sich: Es handelt sich um die Titelmelodie eines „Rocky“-Film, in dem Sylvester Stallone einen Box-Champion mimt, der – so der Plot – am Ende doch immer wieder gewinnt.

Immerhin muss Tillich erstmals seinen Titel als Regierungschef verteidigen. Bisher war er nicht gerade durch Blut, Schweiß und Tränen aufgefallen. Nun sollte die Musik wohl den Paradigmenwechsel einläuten. Die Interpreten des Songs, so erlauben wir uns anzumerken, nannten sich „The Survivors“, zu Deutsch: Die Überlebenden. Doch wollen wir es mit der Symbolik nicht zu weit treiben. Wie das bei echten Champions nun einmal ist: Es kann nur einen geben! Dies soll auch die Marschrichtung im Wahlkampf sein. Die „Sächsische Union“ will wieder allein regieren. So deckte Tillich den aktuellen und die potenziellen Koalitionspartner mit einer Serie von linken und rechten Haken ein. Dass sie nichts von Wirtschaft versteht, musste sich die Sozialdemokratie bescheinigen lassen. Ein Running Gag aller Wahlkämpfe seit August Bebels Zeiten. Pikant in diesem Falle: Das sächsische Wirtschaftsressort ist mit dem SPD-Spitzenkandidaten und stellvertretenden Ministerpräsidenten Thomas Jurk besetzt. Die Genossen monierten Tillichs Einlassung denn auch postwendend als Tiefschlag.

Getroffen fühlen mussten sich auch die Liberalen, deren einziges Sehnen es ist, nach der Landtagswahl mit der Union ins Koalitionsbett zu steigen. Tillich bezweifelte schlankweg die Potenz der FDP. Sie habe nicht die Kraft, Sachsen fünf Jahre lang zu regieren. Autsch! Den vor einigen Tagen eingeleiteten Flirt mit den Grünen hatte deren Landeschefin Antje Hermenau bereits als „Wahlkampfmanöver“ zurückgewiesen. Tillich kritisierte etwas wolkig die „Ökophantsien“ der Öko-Partei. Ödipale Reflexe Eine schwere Klatsche gab es für das Hassobjekt der Sachsen-Union schlechthin: Den Wessi. Tillich, genervt durch hartnäckiges Nachhaken des aus Niedersachsen stammenden SPD-MdL Karl Nolle zur DDR-Vergangenheit, prügelte zurück. Er wolle nicht „immer wieder mein Leben und mein Tun erklären müssen, bis es der Letzte verstanden hat, der meint, aus dem Westen kommend, uns die Zeit vor 1990 erklären zu müssen“.

Das hätte ein Gregor Gysi nicht besser formulieren können. Sollte Nolle ein strategischer Denker sein und nicht nur, wie es bisweilen den Anschein hat, seinen Impulsen folgen, dann hat er seinerseits einen Volltreffer gelandet: Die Trennung von Union und ihrer sichersten Stammwählergruppe, den aus den Alt-Bundesländern zugewanderten Neu-Sachsen. Dass nun ausgerechnet an dieser Stelle von Tillichs Rede der stärkste Applaus aufbrandete, lässt für die innere Verfassung der Partei Schlimmes befürchten. Sie entspricht zumindest in diesem Punkt dem Innenleben eines viel zitierten Holzblasinstrumentes: Hohl. Spötter sehen in der Anti-Westler-Kampagne bereits den ödipalen Versuch, die beiden Erzväter des Freistaates und der Sachsen-Union zu überwinden: Kurt Biedenkopf, den Wohlfühl-Ministerpräsidenten, der für royalistischen Glamour und sächsisches Selbstbewusstsein sorgte. Und Georg Milbradt, der dem Land durch solide Haushaltspolitik eine relativ günstige Ausgangslage verschaffte. Beiden haben stets auch Tillichs Karriere gefördert. Beide, so erinnern wir uns dunkel, kamen aus dem Westen.

„Vertrag für Sachsen“ Wie ein Rütlischwur inszeniert wurde anschließend das Wahlprogramm mit dem etwas sperrigen offiziellen Titel „Regierungsprogramm 2009-2014“. Für das Partei- und Wählervolk wurde es zum „Vertrag für Sachsen. Wissen, wo’s langgeht“ umgewidmet. Feierlich unterzeichneten neben Tillich auch CDU-Landtagsfaktionschef Steffen Flath und Partei-Generalsekretär Michael Kretschmer. Zumindest beim Thema Studiengebühr gibt man sich links. Bis zum Masterabschluss, so verspricht das Papier, sollen angehende Akademiker kostenfrei studieren dürfen. Es wird dazu geraten, sich rasch ein Exemplar zu sichern. Nur für den Fall, dass sich die Unterzeichner in fünf Jahren nicht mehr so recht an diesen Abschnitt ihres politischen Lebens erinnern können wollen.
von Cora Lejo